log #270:
fahrtenbuch, seite #11 Wenn die Vernunft zum
Zug kommen soll, muß die Unvernunft einen Platz erhalten, damit sie nicht im Wege steht.
Das ist mein Fazit aus langjähriger Befassung mit derlei Themen. (Augenwinkern nicht
vergessen!)
Solche Aspekte erklingen in unserem "Kuratorium für triviale Mythen".
Das ist freilich bloß eine Facette des größeren Themas, denn KULTUR hat in
hohem Maße mit menschlichen Möglichkeiten zu tun, die gerade nicht vorrangig der
Alltagsbewältigung gewimet sind. |
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Wie
sowas praktisch zusammengehen mag, hat mit gerade ein Weizer Wirt eindrucksvoll
demonstriert. Und was es da zu erfahren gab, hat sich für einen halben, überaus sonnigen
Tag in St. Ruprecht an der Raab verdichtet.
Das "Mittwochs-Geschichtchen"
kulminierte in einer Foto-Session, bei der uns eine entspannte Schloßherrin genau KEINE
Szene gemacht hat, wobwohl wir ihr mehr als zwei Tonnen Alteisen auf die Wiese gesetzt
haben.
Freilich Alteisen in vorzüglichem
Zustand und mit einiger Bewandtnis beladen. Der Rolls Royce Silver Shadow aus den
1970er-Jahren ist vorne nach Kategorien der Architektur zu bewerten (Griechischer Tempel)
und von hinten betrachtet hat man einen überaus eleganten Zweitwohnsitz vor der Nase.
Unter der langen Haube ruht ein
V8-Triebwerk mit sieben Litern Hubraum. Man muß also an der Tankstelle gewisse Coolness
d'rauf haben, sonst wird's peinlich. Und für die Erhaltung des Royce kommt kein Bastler
in Betracht. Nur erfahrene Fachkräfte mit Spezialwerkzeug stellen sicher, daß die
wirtschaftliche Situation des Besitzers nicht unberechenbar wird. Kurz, das ganze Setting
(inklusive Schloß Stadl und Ländereien) sieht nach dem demonstrativen
Verbrennen von Geld aus.
Ich halte Ihnen hier bewußt ein
Bündel Klischees unter die Nase. Angenehmerweise ist die Welt etwas komplexer, was ja
meine "Fahrten über die Dörfer" und dieses "Fahrtenbuch"
überhaupt erst als sinnvolles Unternehmen hervorhebt.
Herbert Pregarnter, Bürgermeister
von St. Ruprecht, war auf einer Teilstrecke mein Weggefährte in dieser feinen Karosse. Er
brachte, lächelnd, einen kleinen Einwand gegenüber meiner Vorstellung von den "Fahrten
über die Dörfer" vor: "Es ist ja auch ein Markt darunter."
Ich hatte gar nicht sofort
geschaltet. Na, ein Dorf ist kein Markt, ein Markt keine Stadt, man mag darüber denken
wie man will, aber solche Nuancen einer Ordnung der "regionalen Welt"
haben Vorgeschichten, welche über ungezählte Generationen reichen.
Mentalitätsgeschichte ist ein Teilthema, das nicht ignoriert werden sollte, wenn man sich
kulturell etwas in der Region vornimmt.
Aus solchen Gründen suchen wir auch
immer wieder Gelegenheit, mit Menschen zu spechen, die darüber viel wissen. Wir, das
waren an diesem Tag der Fotograf Franz Sattler und ich.
So kam es auf der Strecke zu dieser
Runde (von links): Wirt Franz Allmer, Motor- Journalist Ferdinand Fleck, Mundartdichter
Erwin Klauber und Bügermeister Herbert Pregartner.
Das Interessante an solchen
Gesprächen ist, daß diese Leute jeweils ganz unterschiedliche soziokulturelle Felder
repräsentieren, die ihrerseits quer durch verschiedene gesellschaftliche Milieus reichen,
die aber unter einander Berühungspunkte haben.
Das bedeutet, erst in der
GesprächsRUNDE (im Gegensatz zu Einzelgsprächen) erstehen umfassendere Bilder vom Leben
in der Region. Erst in diesem zuweilen Feuerwerk der kleinen Erzählungen. Und gerade
solche Tage machen mir deutlich, wie fahrlässig es wäre, als bloß Einzelner in die
Region "einzudringen", um so eine Vorstellung davon zu gewinnen, WAS denn diese
Region sei.
Ich habe eingangs erwähnt, das
ganze Setting sehe nach dem demonstrativen Verbrennen von Geld aus; was natürlich
keineswegs der Fall ist. Gastwirt Franz Allmer [link], der Besitzer des oben gezeigten Rolls Royce, führt, wie mir
scheint, ein Leben, das von einiger Disziplin geprägt ist, durch die er sich auch die
Räume für ein paar Annehmlichkeiten erarbeitet. Diese Disziplin handelt auch von
betriebswirtschaftlichen Kompetenzen, die keiner Verschwendung dient.
Wie man zu Ergebnissen kommt? Über
externe Konsulenten läuft das eher nicht, soweit es nach Allmer geht. Aber die
Kooperation mit regionalen Fachkollegen hat einen hohen Stellenwert. Ich habe in einem früheren Eintrag schon von den 12 Wirten erzählt,
die nun seit eineinhalb Jahrzehnten ein kontinuierliches Einvernehmen pflegen.
Franz Allmer sagte: "Als
Unternehmer mußt du ja selber wissen, wo du hin willst. Und du mußt halt auch wissen,
wie du da hin kommst." Klingt einfach. Ist es das auch?
Am Beispiel dieser oststeirischen
Wirte scheint mir bemerkenswert, daß sie zweierlei kombiniert haben: Einerseits ein
klares Selbstbewußtsein mit eigenwilligen unternehmerischen Konzepten, andrerseits den
Verzicht auf Konkurrenzverhalten.
Wer alt eingeführte Rivalitäten
kennt, zumal jenes (regional) prominete Konkurrenzverhältnis zwischen Weiz und Gleisdorf,
das offenbar nicht überwindbar zu sein scheint, bestaunt also, daß es einige Leute auch
anderes anzupacken verstehen, indem sie auf reale Kooperation setzen.
Das bestätigte übrigens auch Peter
Ochensberger [link], ein
weiterer Wirt in diesem kleinen Netzwerk, wodurch das in der Mitte der "Energie-Region"
gelegene Terrain interessante Impulse erhält. (Nebenbei bemerkt, wer vorzüglichen Wein
schätzt, ist auf diesem Terrain bestens aufgehoben!)
[St. Ruprecht/Raab]
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