26. Dezember 2009 Und aus! Dieses Foto stammt vom vergangenen Dienstag. Eine
passable Schneelage, ein kurzes Intermezzo konventioneller Winterlichkeit. Das hat eine
kleine Erinnerungskette ausgelöst, denn solche Schneelagen waren in meinen Kindertagen
häufige Winterzustände.
Daran knüpften sich
kleine Ausfahrten, Sondersituationen mit Jausenpaketen und Schokoladetafeln. Saftflaschen.
So wird ferner offenkundig, daß ich von Weihnachten nicht völlig unberührt bleibe.
Reminiszenzen!
Das mag ich sehr.
Erinnerungs-Ensembles, fliegende Gedanken, schwirrende Kindermomente. Davon war übrigens
auch die Startgeschichte unseres "Kuratorium für triviale Mythen geprägt.
Diese außerweihnachtiche doch weihnachtsnahe Keksduft-Geschichte mit dem kleinen
Themenschwerpunkt auf V8-Geräten..
Tino Pölzer zeigt hier die Einzelanfertigung von Bernhard
Kober. Das V8-Logo, in der Muscle Car-Ära außerdem vielfach mit "Hemi-Motoren"
verknüpft. Also V8-Plantagen mit Hemisphären- Brennräumen, was bedeutet, über den acht
Kolben wölben sich halbkugelförmige Kammern, deren Formgebung eine effizientere
Verbrennung ermöglichen.
So kam es zu den V8-Keksen, die am Beginn unserer
gemeinsamen trivialen Erzählungen stehen. Das hat noch einen anderen, sehr speziellen
Zusammenhang. Was Kunst sei, bemißt sich heute, rund ein halbes Jahrhundert nach Marcel
Duchamp, nicht am Kunstwerk, sondern an den Erfahrungen die damit gemacht werden; und zwar
a) bei seiner Entstehung und b) bei seiner Rezeption.
Nein, mit dem V8-Keks ist das Thema Kunst noch nicht
berührt. (Das wäre ein kindischer Versuch.) Aber! Ich bündle mit meinen Leuten da a)
ästhetische Erfahrungen und b) die Freude an Erzählungen. "Narrative" sind mir
ein wichtiges Thema. Ästhetische Erfahrungen, also Wahrnehmungserfahrungen, sind mir
unverzichtbare Praxis. Ergo: Wir umkreisen mit all dem AUCH die Kunst. So hängt das
zusammen.
["in medias keks": doku]
Ergänzend: Ein Motiv von gestern Nachmittag. Die
schmucklose "Dzezva" im Hintergrund, jene Kanne, in der "türkischer
Kaffee" gekocht wird. Ein Gedanken aus diesen Tagen, aus meiner Lektüre: Slavoj
Zizek warnt davor, den jugoslawischen Sezessionskrieg als den Ausdruck ethnischer
Konflikte zu betrachten. Ich stimme ihm darin zu.
Dieses "Ethnische" als Konfliktlage und
Kriegsgrund läßt sich nämlich nicht verifizieren. Es verbirgt, verhüllt bloß jenes
Ringen von Machtgruppen, von vormals jugoslawischen ebenso wie von gesamt europäischen
und amerikanischen, bei dem nicht wenige Kriminelle und auch religiöse Eiferer
eingespannt wurden, um die Sache voranzubringen. Gar nicht zu reden von jenen Dummköpfen,
die sich (ganz von sich aus) der Tyrannis angedient haben, um daraus persönliche Vorteile
zu ziehen.
Ein kleiner Einschub. Am 6. Juni 2009 habe ich hier notiert:
>>An diesem Abend sollte L., eine Bosniakin, beim letzten Drink in der Hotel-Lobby
noch erzählen: "Wir sind im Kommunismus aufgewachsen und waren nicht religiös.
Kannst du dir vorstellen, wie irritiert ich war, als ich in der Schule von anderen
plötzlich gehört habe, daß ich eine Muslima sei? Ich hab gar nicht gewußt, was das
sein soll."<<
Polemisch zusammengefaßt: Der größte Anteil an
Kriegs-Motiven findet sich in den Bereichen einer "Flurbereinigung", die sich
der Kapitalismus in Südosteuropa gewünscht hat, und in einem Gewinn an Einfluß der NATO
in diesen Regionen. Daß dabei die Bühne auch für Kriminelle, für Eiferer und für
pathologische Fälle freigegeben wurde, versteht sich von selbst, gehört zu den gut
eingeführten Praktiken bei solchen Unternehmen.
Ich werde das neue Jahr damit beginnen, die Zusammenarbeit
mit zwei sehr interessanten Menschen zu vertiefen. Schriftsteller Nenad Popovic und
Künstlerin Milica Tomic sind mit den Fragen, die mich da beschäftigen, schon lange
befaßt. Wir werden uns auf verschiedenen Ebenen in die Bearbeitung solcher Fragen
verzweigen. (Siehe dazu auch next code: log#219!)
Da Weihnachten
gerade ausklingt, habe ich natürlich auch ein Madonnen-Motiv auf Lager. Freilich ein
etwas heidnisches. Quentin Tarantino hat mit Beatrix Kiddo (Uma Thurman) -- hier in "Kill Bill II" -- neu
gedeutet, was "Cat Fight" und "Watschentanz" bedeuten. In einer
Choreographie, die ich für ziemlich "outstanding" halte.
Tarantino macht damit einiges
leichzeitig. Er durchforstet und bearbeitet triviale Stoffe des 20. Jahrhunderts, erweist
den Meistern der Genres Referenz, zitiert sie in seinen Neudeutungen. Mir gefällt solche Referenzarbeit
sehr, die sich nicht scheut, im eigenen Werk offenzulegen, wovon man beeindruckt und
beeinflußt wurde, was an Vorleistungen anderer Leute einen befähigt hat, seine eigenen
Möglichkeiten zu entwickeln ...
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