15. September 2009 Der
Albtraum der Hausbesitzer. Für mich allerdings ein offenes Buch, in dem ich stets
vergnügt und interessiert lese. Botschaften an der Außenhaut der Innenstädte:
Es ist mir ja generell zu wenig öffentlicher Diskurs
jenseits der Dominanz von Boulevardblättern da. Aber vielleicht hängt das auch damit
zusammen, daß zu viele Leute viel zu wenig zu sagen haben. Wo in einer Demokratie das Selbstdenken
zu wenig Konjunktur hat, stellen sich eben Fürsprecher ein, die uns dann gerne sagen, was
und wie die Dinge sind.
Ich sehe zum Beispiel aktuell großen Klärungsbedarf in
der Frage, was denn eine Nation sei. (Siehe dazu den Eintrag
vom 12. September!) Das ist klar? Das ist keineswegs klar! Ich staune laufend, wie
gerne und wie viel in meinem Umfeld noch in Kategorien des 19. Jahrhunderts gedacht wird.
Das Kunstfeld, wie auch in dieser Sprayer-Botschaft oben
angesprochen, spielt dabei insoferne eine erhebliche Rolle, als es zentral von zwei
Aspekten handelt:
a) Von ästhetischen Erfahrungen, also WAHRNEHMUNG, und
b) von "Beobachtung zweiter Ordnung".
Das ist für mich ein besonders interessantes Thema, zugleich ein sehr politisches.
Denn das "Beobachten von Beobachtenden"
bedeutet etwa: Prüfen zu welchen Erfahrungen und Schlüsse andere Leute durch ihre
Beobachtungen kommen. Dazu gehört folglich auch die Debatte all dessen, was einem dabei
auffällt. (Ich bin gerade wieder bei der Kunsttheorie von Niklas Luhmann angekommen.)
Wer also in seiner oder ihrer Zuwendung zur Kunst keine
weltabgewandte Position bevorzugt, wird dabei, egal ob den Kunstschaffenden oder dem
Publikum zugehörig, jene Grundlagen pflegen, ohne die keine Demokratie auskommen
kann. Beobachten, Schlüsse ziehen, sich mit den Beobachtungen und Schlüssen seiner
Mitmenschen befassen, kritische Auseinandersetzungen darüber führen ...
Dabei auch: Politik und Verwaltung als unsere Gegenüber.
Viele versäumen es erfahrungsgemäß, diese Kategorien zu unterscheiden. Ich hab gestern
dem Gleisdorfer Kulturausschuß den Status quo unserer laufenden Projekte referiert.
Links auf dem oberen Foto Kulturreferent Hannes Felgitsch
(Politik), rechts Kulturbüro-Leiter Winfried Kuckenberger (Verwaltung), die
Repräsentanten zweier völlig verschiedener Instanzen der Stadt mit grundlegend
verschiedenen Aufgaben.
Diesmal auch bei der beschlußfähigen Ausschuß-Sitzung:
Bürgermeister Christoph Stark. Damit hatte ich eine relevante und zu
"Vorentscheidungen" befugte Repräsentanz der Stadt vor mir. In der Folge muß
freilich der Gemeinderat einem Vorhaben zustimmen, damit ein Projekt unter Dach und Fach
wäre. Der Gemeinderat stützt sich in seinen Entscheidungen allerdings auf die Vorarbeit
seiner Fachausschüsse, in unserem Fall auf die des Kulturausschusses. Und der ist
seinerseits ja durch Gemeinderäte der Fraktionen besetzt.
Eine weitere Instanz der Stadt ist genau genommen eher
privatwirtschaftlicher Natur. Ich habe kurz vor dem gestrigen Meeting eine Besprechung mit
City-Manager Alfred Tieber gehabt. (Hier mit seiner Assistentin Claudia Berghold.) Tieber
ist Geschäftsführer eines Verbandes lokaler Wirtschaftstreibender. Dieser Verband wird
nicht nur von der Wirtschaft finanziert, sondern auch mit Landesmitteln. Und er hat eine
fixe Kooperation mit der Stadt. (Das ist also eine etwas komplexe Konstruktion.)
Es folgt noch ein weiterer "Komplexitätssprung".
Iris Absenger (Mitte) ist die regionale LEADER-Managerin der "Energie-Region
Weiz-Gleisdorf". Der Vorstand des Projekt-Trägers setzt sich aus den
Bürgermeistern aller beteiligten Gemeinden zusammen, der oben erwähnte Gleisdorfer
Bürgermeister Stark ist zur Zeit Obmann dieser Institution:
>>2007 wurde die Energieregion als Leader-Region
für die Periode 2007-2013 bestätigt. Um die daraus resultierenden Projekte
ordnungsgemäß abwickeln zu können, gründete der Verein 2008 eine GmbH. Hierbei tritt
der Verein als alleiniger Gesellschafter auf. Hauptaugenmerk innerhalb der GmbH liegt auf
der Abwicklung von LEADER-Projekten.<< [Quelle]
Das ist zwar eine im Grunde private/privatwirtschaftliche
Einrichtung, doch der Vorstand besteht aus einer politischen Elite der Region. Wer immer
also zur Zeit gerne ein größeres Projekt, schon gar ein größeres Kunstprojekt zustande
bringen möchte, wird in diesem größeren Zusammenhang Konsens erreichen müssen. Zumal
die Gemeinden nicht nur durch LEADER-Vorhaben zur Kooperation angeregt sind, sondern schon
davor durch das steirische "Regionext" zur Bildung von
"Kleinregionen" geradezu verpflichtet wurden.
Außerdem darf angenommen werden, daß ein die Region
betreffendes Projekt nicht denkbar wäre, falls man die Bezirkshauptstadt Weiz und deren
Bürgermeister Helmut Kienreich unbeachtet ließe.
Aber da fehlt noch ein Aspekt! Rechts neben Iris Absenger
sieht man oben Sandra Kocuvan von der Kulturabteilung des Landes Steiermark (Abteilung 9).
Sie und ihr Kollege Gerald Gigler (Abteilung 16) repräsentieren unsere Gegenüber auf
Landesebene, deren Zustimmung für ein regionales Vorhaben unverzichtbar ist. Dem muß
allerdings im LEADER-Kontext dann auch noch ein Kulturausschuß des Landes zustimmen.
Ich hoffe, man ist allein bei der Lektüre dieser
Darstellung nicht schon ermüdet. Aber so sieht es aus, wenn ich als Kunstschaffender in
der Region die Bedingungen der Gegenwartskunst verbessern will. Dann habe ich es
mit einem in sich verschachtelten Setup von "Sach- und Machtpromotoren" verschiedenster
Art zu tun.
Wenn dabei nur EINE Instanz mir zu einem Vorhaben NEIN
sagt, sacken Umsetzungsmöglichkeiten um etliche Grade ab. Ich hätte dann freilich als
Künstler auch noch primäre künstlerische Arbeit zu leisten und diese zu finanzieren. [link] Verstehen Sie
mich recht, ich beklage das nicht. So ist mein Job. Aber manchmal fühle ich mich ein
wenig erschöpft ...
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