1. September 2009

Ich hatte eine ganze Reihe falscher Annahmen über Nordirland. So auch, daß da noch klassische Automobile unterwegs sein könnten. Erstens ist die Gegend nicht gerade von wohlhabenden überbevölkert, zweitens hatte die britische Autoindustrie historisch eine atemberaubende Vielfalt.

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Immerhin ein Panther Kalista in der Nähe der Ulster Hall. Er ist aber nicht einmal halb so alt, wie er aussieht. Ein britisches "Kit Car", das von 1982 bis 93 gebaut wurde. Sieht man von den alten Taxis ab und von einigen sündteuren Aston Martins, läuft dort hauptsächlich jüngerer Alltags- Ramsch, so wie überall, keiner weiteren Erwähnung wert.

Wenn ich im vorigen Eintrag John Lennons "The Luck of the Irish" erwähnt hatte, war das freilich nicht die markanteste Assoziation von Musik mit Irland. Als bekennender Anhänger von Van Morrison bin ich mit der allerersten Adresse verbunden, die in diesem Land musikalisch notiert ist. Siehe dazu auch den Eintrag vom 28. September 2008 über Morrison und das Gedicht "Raglan Road" von Patrick Kavanagh!

Ich habe inzwischen viele wunderbare irische Gedichte über schöne Frauen gelesen, die alle in etwas Bitteres verlaufen, was ihnen, den Gedichten, aber nichts von ihrer Anziehungskraft nimmt. Van Morrison wurde 1945 in Belfast geboren. (Die Stadt ist in Dimension und Einwohnerzahl mit Graz vergleichbar.)

Sein Musikerkollege Mark Knopfler kam einige Jahre später im britischen Glasgow zur Welt. (Auch von ihm gibt es eine sehr schöne "Raglan Road"-Version.) Knopfler hat vor Jahren ein feines Album mit Songs über einfach Leute herausgebracht. Ich denke, es war 2003, als ich mir "The Ragpicker's Dream" gekauft habe, nachdem mir "Why Aye Man" aufgefallen war.

>>We're the nomad tribes, travelling boys / In the dust and dirt and the racket and the noise / Drills and hammers, diggers and picks / Mixing concrete, laying bricks / There's English, Irish, Scots, the lot / United Nation's what we've got / Brickies, chippies, every trade ...<< ["Why Aye Man" auf youtube]

Es ist vielleicht auch dort so gewesen, eigentlich egal, wohin man blickt, sobald die Anzahl der jungen Männer, die keine Jobs finden und keine Zukunft haben, eine gewisse Quote übersteigt, wissen die etablierten Leute: Entweder wir beschäftigen diese Burschen oder sie entfachen eine Unruhe, die uns wegschwemmt. "Beschäftigen" heißt in diesem Falle meist Krieg. Nach innen oder nach außen, ganz egal. (Gunnar Heinsohn hat das in einem brisanten Buch behandelt.)

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Belfast hat mich verwirrt und erschreckt. Wo ich mit Einheimischen ins Gespräch gekommen bin, waren sie in den Fragen, die mich brennend interessierten, sehr zurückhaltend. Kein Wunder. Wer möchte von Fremden, von Dahergelaufenen, schon hauptsächlich über jene Aspekte definiert werden, die von gehabten Katastrophen und vom Leiden der eigenen Leute handeln? "Many of us are still angry" hatte der Taxifahrer gesagt. Zu viele waren gewaltsam zu Tode gekommen, andere für Jahrzehnte im Gefängnis festgesetzt.

Diese Stadt hat mir entscheidende Impulse geboten, worauf ich mich konzentrieren mag, wo nun das "Dritte Buch" des "long distance howl" über zwei "Kapitel" abzuschließen ist. Das letzte davon wird mit "next code: asking" überschrieben. Die Sessions mit den Leuten aus Serbien haben erste Markierungen dafür ergeben. (Siehe dazu den Eintrag #179 im Logbuch von "next code"!)

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Die Verletzungen, die vernarbten Wunden und das Danach. Habgier und behauptete Differenzen lassen sich da wie dort wie sonst noch wo als Grundlagen identifizieren, auf denen die Eskalationen ausgekocht werden. Dem wäre noch ein Zitat aus dem Essay "Wir sind die Jungs" von Dubravka Ugresic anzufügen, das zwar auf den jugoslawischen Sezessionskrieg gemünzt ist, aber vermutlich internationale Relevanz hat:

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