28. September 2008

Ich würde mein Leben ohne Van Morrison weniger mögen. Es wäre mir kein Anlaß, aus einem Fenster zu springen, falls jemand das Werk des Iren aus der Welt löschen wollte. Aber es entstünde für mich eine schmerzliche Lücke.

An seinen Alben höre ich mich nun seit Jahrzehnten nicht satt. Was vielleicht auch daran liegt, daß DICHTUNG dabei eine so wesentliche Rolle spielt.

Man stelle sich einen "Austropopper" vor, der einmal -- beispielsweise -- statt der alpenländischen Reime eines Joesi Prokopetz realer Dichtung nachginge.

Man stelle sich vor, Lyrik von Rang, wenigstens einige Gedichte, würden von breiten Teilen der Bevölkerung als ein Gut betrachtet, das notfalls zu verteidigen wäre. Was für ein Fundament das ergäbe!

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Es fallen den Leuten ja allerhand Gründe ein, um aus einem Fenster zu springen oder jemanden aus dem Fenster zu schmeißen. Wer flüstert derart Verzweifelten dann mitunter ins Ohr, daß man solche Momente auch anders überstehen kann? Dichter tun das gelegentlich.

Wie etwa Patrick Kavanagh in dem zum Weinen schönen Gedicht "Raglan Road", wo ein Mann schon ahnt, daß seine Liebe nicht erwidert werden wird. Also fleht er sein Schicksal an:

I saw the danger, yet I walked
Along the enchanted way
And I said let grief be a falling leaf
At the dawning of the day.

(Der komplette Text ist im Web HIER zu finden.) Kavanagh ist seinerzeit vor allem mit dem fulminanten "The Great Hunger" bekannt geworden.

... Poor Paddy Maguire, a fourteen-hour day
He worked for years. It was he that lit the fire
And boiled the kettle and gave the cows their hay ...


Das ist nicht gerade, was man bei uns unter "Heimatdichtung" versteht. Aber kurz zurück von Kavanagh zu Morrison. Er hat "Raglan Road" in seinem Repertoire und gemeinsam mit den "Chieftains" eingespielt. Auf dieser Page findet man einen Link zu einer Sounddatei mit diesem Lied. (Mark Knopfler ist damit HIER auf Youtube zu hören.)

Cut!

Ich habe es gestern angerissen. Codes. Schlüsselwörter. Zum Beispiel: "Gutmenschen" meint schon irgendwie "gute Menschen", meint aber "irgendwie ziemlich dumme gute Menschen", also wiederum doch nicht ganz so gute Menschen, weil ihr "Gutsein" angeblich schadet.

Derart konnotiert hat man es von den Politikern Haider und Strache schon hören können. Zynische Aufsteiger aus bescheidenen Verhältnissen, die mit ihrer Rhetorik davon ablenken möchten, daß sie ihren Aufstieg ganz wesentlich Kräftefeldern verdanken, auf denen die Menschenverachtung zum Geschäft gehört.

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Menschenverachtung IST in unserem Lande salonfähig. Sie wird, als eine Variante der Salonfähigkeit, über Sprachcodes gepflegt. Zur Einweihung des Gleisdorfer "Mahnmals" sprach gestern unter anderem Hermann Miklas, der Superintendent der Diözese Steiermark.

Er betonte genau diesen Aspekt Gegenwärtiger Entwicklungen. Solche Codes. Daß dann etwa "amerikanische Ostküste" als "die Juden" verstanden werde. Oder "Heimat" als "ausländerfreie Zone". Man könnte Wörterbücher anlegen.

Das sind Zusammenhänge, in den vor allem Medienleute und Kulturschaffende gefordert wären, infame Methoden der Begriffsbildung aufzudecken und anzuprangern. Auf dem Boulevard sind manche Menschen dagegen redlich bemüht, ihr Blatt als ein "Zentralorgan der Menschenverachtung" herauszustellen. Das zeigt sich selbst in kleinen Gesten. So hat etwa "Professor Reinald Hübl" in der "Kronen Zeitung" eine Kolumne mit dem Titel "Menschlich betrachtet". (Menschlich!) Da stand am vergangenen Freitag:

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Wäre zu fragen: Was, bitte, ist ein Jugo? Ein "Jugoslawe"? Kann aber eigentlich nicht sein, denn Jugoslawien existiert längst nicht mehr. Meinte der Professor sowas wie "An Tschusch"? Mutmaßlich steht "Jugo" etwas leger einfach für "Ein Slawe". Genauer: Ein Südslawe. Denn Ostslawen sind keine und waren nie "Jugos". Ach, der Herr Professor weiß bestimmt, daß "Jugoslawe" sich von einer Wortkombination herleitet, die auf Deutsch "Südslawe" heißt.

Quatsch! Ich spiele gerade ein wenig. Der Herr Professor sollte bei solchen "menschlichen Betrachtungen" seinen Professorentitel umgehend am Salzamt abgeben. Faktum bleibt, daß "Jugo" ein Begriffs-Derivat ist, das in unserer Kultur zwei "Geschwister" hat: "Dreckiga Tschusch" und "Scheiß-Jugo". Höre ich sowas an der Würschtelbude, ist es mir fast egal, denn "Vox populi" nimmt keine Zurufe entgegen, von mir nicht, von niemandem.

Wenn aber ein "Herr Professor" so tickt, die schäbige Schlamperei auch noch via Massenblatt promotet und ... legitimiert, kann der Befund nur lauten: So geht Menschenverachtung in der Praxis. Eine anderer Lustigkeit á la Austria. Ich las gerade im Wahlprogramm des BZÖ, also jenes politischen Bündnisses, dem der vaterländische Jörg Haider vorsteht, die Forderung:

>>4.4. Verbot der Ganzkörperverschleierung.<<

Wäre das ein geltendes Gesetz, müßte nun eine bisher unbekannte Person in Gleisdorf mit Ungelegenheiten rechnen. Seit der Vernissage mit Werken von Michael Geyer [link] findet man im "forum KLOSTER" eine "westliche Spielart" der Ganzkörperverschleierung.

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Da wurde eine hingehauchte Nudität zur Gänze mit weißen Tüchern verhängt; genauer also: der Körper vollkommen verschleiert. Da es hier nicht einmal annähernd so viel zu sehen gibt, wie Tag für Tag im oben erwähnten Massenblatt, wo vorzüglich ausgemergelte junge Frauen mit möglichst markanten, prallen Brüsten herausgestellt werden, drängt sich natürlich die Frage nach den Motiven und Kriterien jener Ganzkörperverschleierungen auf. Polemisch verkürzt: Wer war das und warum?


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