1. August 2009

Diesmal mußte ich nicht weit gehen. In meinem Hof ist es gewöhnlich sehr ruhig. Manchmal macht mir das Erwachen der Ducati meines Nachbarn wehmütige Zustände, weil ich meinen Bruch mit der Motorradfahrerei [link] nie ganz erledigen konnte. Aber was mich da plötzlich an grantigem Brüllen in meiner Küche erreichte, war mir völlig neu.

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Ich brauchte nur vor die Haustür zu treten, um eine angeregte Plauderei über jenseitige Automobile zu führen. Der Rote ist noch recht jung auf dem Markt. Eine Ferrari 599 GTB Fiorano. Da steht der Gegenwert eines schmucken Häuschens herum, dessen Zentralheizung aus 12 Zylindern mehr als 600 PS abgibt, was dem Auto Top Speed jenseits der 300 km/h ermöglicht. (Darum "jenseitige Automobile".)

Ja, danke für den Hinweis, mit Vernunft hat das nichts zu tun. Das ist eine "ikarische Pausennummer". Und ich freu mich wie ein Depp, wenn ich so einen Exoten aus der Nähe anschauen kann, bis ich alle Details bestaunt habe. Die quasi sozialpolitischen Implikationen sind mir völlig klar. Ich hab außerdem jederzeit an paar "Killerargumente" für jene auf Lager, die mir erklären wollen, was ich ohnehin weiß. Beispiel gefällig? Der kinderreiche Johann Sebastian Bach erhielt sein nötiges Salär nicht von der Wohlfahrt.

Gut, das war nicht fair angelegt. Aber wir haben das seit der Renaissance am Hals. Die überhöhte Repräsentationsaufgabe, welche den Künsten aufgebürdet wurde. Das nötige Geld für große Werke kam ja nicht aus Akten purer Nächstenliebe, sondern meist von eher räuberischen Fürsten und Bischöfen.

Das auf luxuriöse Autos umzulegen ist auch nicht neu. Seinerzeit mochte sich jemand durchaus ruinieren, wenn er sich beim Bestellen einer exquisiten Kutsche übernahm. Hervorragende Kutschen konnten locker den Gegenwert eines Hauses kosten.

Michael Roloff schrieb mir zum Eintrag vom 28. Juli und anderen:
>>Nice that you fetish is cars! I used to have more dangerous ones! Was glad to read that piece in Profil on the start of WW II.. only recall the first bombs a few years later. x michael r<<

Wir haben diesen Begriffszusammenhang kaum präsent. Leider! Fetisch im Sinne, wie es Karl Marx gedeutet hat, als Warenfetisch, als brandgefährliches ökonomisches Phänomen, aber auch im Sinn des Objektes von Obsessionen. Ich  war natürlich neugierig, worauf Roloff einst abgefahren ist. Surprise, surprise! "fast cars and fast women" ...

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Apropos! Fast car, fast women, aber ziemlich genau diesen Motiven entgegengesetzt. Mit "Thelma and Louise" hat Ridley Scott 1991 für allerhand Verstörung gesorgt. Wo also die rohe Version von "A Boy Thing" eine ebenso rohe Absage erfährt. Da kommt ja heute noch allerhand ins Wanken. Wie flächendeckendd Frauen immer noch in Posen des gebeugten Hauptes ersehnt werden ...

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Aber mitten im Film dann auch das: Welchen skurillen Spaß muß Scott mit seinen Leuten gehabt haben, als er mitten in der Wüste diesen bekifften Rastafarian auf seinem Rennrad erscheinen ließ, um jenen strammen Polizisten, welchen Thelma und Louise in den Kofferraum seines Streifenwagens gepackt hatten, zu befreien.

Mir scheint überhaupt, daß Scott sich über den gesamten Film lang mit grimmigem Grinsen an der vorherrschenden Männerkultur abgearbeitet hat. Der fast unscheinbare, aber hinterhältigste Coup in diesem Vorhaben ist der aufrichtige Charakter des Inspektors Hal UND daß er diesen Charakter mit Harvey Keitel besetzt hat.

Es scheint eben jede Tragödie auch eine Komödie zu sein. Hängt wohl davon ab, welche Beobachtungsposition einem zufällt. Apropos Beobachtung! Meine Luhmann-Tage. (Also mit Luhmann und einem Stück Wassermelone auf der Küchencouch. Siehe dazu auch den Eintrag vom 29. Juli!) In einem 1990 von Hans Dieter Huber geführten Interview [link] faßte Niklas Luhman seine Vorstellung von einem sozialen System zusammen:

>>Unter sozialem System verstehe ich ganz allgemein ein System, dessen Operation Kommunikation ist, das also ständig Kommunikation durch Kommunikation ersetzt, also eine Kommunikation durch eine andere Kommunikation fortsetzen muß.<<

Vor der Kommunikation steht die Information, die etwa durch Beobachten verfügbar wird. In der Konsequenz deutet er KUNSTWERKE als den Ausdruck von Kommunikationsakten, die zwischen Akten des Beobachtens vermitteln:

>>Das würde z.B. bedeuten, daß der Künstler in der Herstellung Unterscheidungen so plaziert, daß er beobachtet, was ein anderer Beobachter beobachten wird, wenn er das Kunstwerk sieht und umgekehrt. In der neueren Ästhetik sagt man ja, ein Betrachter versteht das Kunstwerk nur, wenn er die Mittel erkennt, oder in meiner Sprache, wenn er die Beobachtungsweise erkennt, mit der ein Künstler in der Arbeit das Kunstwerk produziert hat, so daß in diesem Sinne Kunst wie auch Sprache eine Vermittlung zwischen Beobachtungen ist.<<


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