8. Juni 2009

Ivana Selakov, die Cousine von Kunsthistorikerin Mirjana Selakov, ist in Serbien von landesweiter Prominenz, was sich etwa darin zeigt, daß sie in diversen Hochglanz-Gazetten für mehrseitige Artikel gut steht und daß eine Menge Kameras gezückt werden, wenn sie erscheint.

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Dieser Status bekommt eine weitere energische Wendung, wenn sie auftritt. Eine Kraft aus tausend Nächten mit diesen Liedern. Ich hab so eine Nacht gut in Erinnerung, vor Jahren an der Donau; es gibt offenbar so etwas wie ein "all jugoslavian songbook", eine Art Sammlung von Liedern, in die selbst jene gemeinsam einstimmen, die einander mit Ressentiments begegnen. (Siehe dazu den Eintrag vom 17. September 2004!)

Lieder aus den verschiedenen (vormaligen) Teilrepubliken des zerschlagenen Staates. "Aide Jano", "Zaidi, zaidi", "Jovan, Jovanke", "Moj dilbere" ... Lieder mit wunderschönen Texen und raffinierten Melodien, die dort offenbar alle kennen und mitzusingen verstehen. Das ereignet sich in lebhafter Nachbarschaft zu Ramsch aus der "Turbo Folk-Ecke" und ähnlichen Schlampereien, egal, im Kernbereich ist eine gemeinsame Zustimmung zu den feinen Liedern zu finden. Das kenne ich bei uns so nicht. Da hat die offenbar Pop-Kultur diese Positionen besetzt.

Cut!

Ich hab im vorigen Eintrag ein Beispiel herausgestellt, wie gegenwärtig via Medien immer noch die Nazi-Ära schöngeredet und heruntergespielt wird. Das liest sich in der Juni-Ausgabe eines regionalen Blättchens etwa so:

>>Speziell dann, wenn die Amis rund um den II. Weltkrieg über Hollywood die Geschichte neu erfinden wollen. Das alles interessiert die Jungen von heute überhaupt nicht mehr. Die Kriegsgeneration ist nahezu ausgestorben. Und der letzte Krieg ist gottlob so weit entfernt, daß lediglich die kriegerischen Hollywood-Filme einen quasi geschichtlichen Bogen der Märchenkunde von Cäsar über Iwan den Schrecklichen, Napoleon und Hitler spannen.<< [Quelle: Süd Ost Journal]

Der Begriff "Literarität" meint, daß man Text lesen und DEUTEN kann. Das ist hier nicht gar so schwierig, die Kurzform würde so lauten: "Schwamm drüber!"

Der Schlußsatz von Chefredakteur Hannes Krois ist sachlicher Unfug, ließe sich folglich auch nicht sachlich belegen (davon erzähle ich später noch etwas detaillierter) und demonstriert die gängige Praxis, den Begriff "Verantwortung" auszublenden, mit dem Wort "Schuld" zu überschreiben:

>>Der Preis der ewigen Schuld und
des Verlustes der Identität schlußendlich.<<

Es ist mir aus Jahrzehnten der Lektüre kein Dokument bekannt, in welchem "uns Österreichern" so etwas wie "Kollektivschuld" zugeschrieben würde. Die Idee der "ewigen Schuld" muß also eine andere Quelle haben. Krois und Kumpane möchten natürlich auch nicht, daß wir unsere Begriffe klären, schärfen:

>>Die Wörter "Nazi" oder Faschist sind so etwas wie die sprichwörtliche Knoblauchkette samt Weihwasser gegen die Vampire. Im Rahmen der vom politischen Österreich aus gesteuerten EUSanktionen gegen Österreich und die Österreicher wurde unser Land als Nazi-Land angeprangert. Einfach so. Niemand hatte sich damals getraut, nur irgendwie seinen Mund aufzumachen.<< [Quelle: Süd Ost Journal]

Das ländliche Bildungsbügertum schert sich offenbar einen Schmarren um solche Kleinigkeiten. Ich staune stets neu, wenn sich etwa der Schriftsteller Fritz Edelsbacher (immerhin ein Repräsentant der IG AutorInnen) von Krois im Blatt hofieren läßt [link], oder wenn unkommentiert bleibt, daß der Nationalrat Werner Kogler genau dieses Blatt als "Letzte Bastion des freien Zeitungswesens" gewürdigt hat. (Siehe dazu "Medien und Kritik"!)

Wir reden nicht über solhe Dinge. "Geschichtslosigkeit" hat also ihre Alltagspraxis in ganz banalen Zusammenhängen- Das ist keine Domäne des rechten Lagers.

In meinem persönlichen Umfeld, wo sich allerhand Kunstschaffende im Genre "rebellisch oder wenigstens kritisch" aufgestellt haben, vernehme ich nur Schweigen. Eine angeblich wache Intelligenz döst anscheinend vor sich hin.

Das anregendenste Gespräch hatte ich gestern auf den Treppen des Wahllokals mit dem evangelischen Pfarrer der Stadt.

[Wir Kinder des Kalten Krieges]


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24•09