17. September 2004

Gelegentlich hat mich die Frage beschäftigt, warum die Schalter der Fensterheber in meinem Auto sich warm anfühlen. Kaum spürbar. Aber. Oder. Doch nicht? Ich habe auch Mitfahrende gelegentlich nach ihrem Eindruck befragt. Denn ich bin in vorelektronischen Zeiten aufgewachsen. Ohne daß es mir explizit gesagt worden wäre, verstand ich es immer es als Warnzeichen, wenn eine Maschine an unerwarteter Stelle Wärme abgibt.

Gestern war ich mit meinem Mädchen in einem spanischen Lokal. Früh genug, um ganz vorne einen freien Tisch zu finden. Unsinniger Weise erwähnte ich, da seien wir eh noch nicht gesessen. Wo denn, wurde ich gefragt. Na, da hinten. Man kann sich meine heikle Lage vorstellen, als ich hören mußte, daß wir zum ersten Mal gemeinsam in diesem Lokal seien.

"Ich sperr mich jetzt eine Stunde auf dem Klo ein und du kannst hier auf den Knien rutschen, bis ich wieder rauskomme."

Das ist so ziemlich genau was man meint, wenn man sagt: Wir haben eine Situation.

Auf dem Heimweg fiel mir zum ersten Mal auf, daß die Schalter der Fensterheber in meinem Auto von innen beleuchtet sind. Was erklärt, warum sie sich etwas warm anfühlen, wenn man draufdrückt.

Cut!

Beograd (11)

Reka heißt Fluß. Die Kroaten sagen Rijeka, hat man mir erklärt. (Was mag das heute für ein Riß sein?) Es hatte geregnet. Der schmale Weg am Ufer der Donau war spärlich beleuchtet und von breiten Pfützen überzogen. Mika trug zierliche Pantoffel, für die zweifelsfrei feststand, daß ein Gang durchs Wasser sie ruinieren würde. Also beugte ich meinen Rücken. Und ich weiß, in Filmen sieht das eleganter aus. Aber ich brachte Mika trockenen Fußes über eine dieser Barrieren.

Das Lokal "Reka" liegt direkt an der Donau. Haben Sie je gebackene Oliven gegessen? Genau. Fein paniert und herausgebacken. Eine kulinarische Überraschung, eingestreut zwischen andere Köstlichkeiten.

Rade hatte die Karte beiseite gelegt und mit der Kellnerin die ebenso verblüffende wie wohlschmeckende Mischung ausgehandelt. Während Vesna, nach einer kurzen Entschuldigung in meine Richtung, vom Englischen ins Serbische gewechselt hatte ... aber da war das Heftige noch gar nicht abgeklungen.

Vesna war aus Australien gekommen. Rade aus Kanada. Vor mehr als einem Jahrzehnt hatten sie mit Mika in Beograd ein Büro geteilt. Und sich so lange Zeit nicht gesehn. Was da in den ersten Momenten des Wiedersehens geschah, um langsam abzuebben und immer wieder einmal hochzugehen, so lange der Abend dauerte, war für mich genau so neu wie gebackene Oliven.

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So viel an Emotionen hab ich vermutlich in einem ganzen Jahr nicht laut werden lassen. Wie dieses Trio an einem Abend. Die Drei waren im "Reka" nicht die einzigen heftig bewegten Menschen.

Während eine in vielen Stilen bewanderte Band mit bulliger Sängerin die ganze Gesellschaft im Raum umfing und auch die Kellnerinnen zum Tanzen brachte, war ständige Bewegung; nicht nur unter den Gästen, auch im Mobiliar.

Erstaunliche Formationen fanden sich ein und selbst der flüchtige Style-Check eines Laien ließ erahnen: da müssen heute mehrere Jungs den Rücken krumm gemacht haben. Denn so mancher feine Schuh wäre sonst ruiniert.

Der Wein floß so dunkeln und breit wie die Donau, wenige Schritte neben uns ...

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