17. März 2009
Zivko Grozdanic leitet das "Museum für Gegenwartskunst" in Novi
Sad. Ein Ort des Ringens um Horizonte in einem Land, dessen Jugend immer noch eingesperrt
ist. Denn dieser unsinnige Visums-Zwang ist gewöhnlich keine Schranke für Kriminelle,
sondern eine kaum überwindbare Barriere für "normale Menschen".
Ich staune immer weder darüber, wenn ich
Menschen aus Serbien treffe. Das "versperrte Land". Und niemand kann mir den
Nutzen dieser Maßnahme klar machen. Natürlich reden wir dann über die eingesperrte
Jugend Serbiens und was Europa sich in der Sache eigentlich erwartet. In diesem
(westlichen) Europa wird gerne über die "Werte" gesprochen, denen wir uns
verpflichtet fühlen, aufgrund derer manche Völker offenbar ausgeschlossen bleiben
sollen.
An diesen Debatten bleibt kurios, daß Europa
einen großen Teil dieser "Werte" historisch von eben dort bezogen hat, vom
Balkan, aus Kleinasien. Seien es Philosophien der griechischen Antike, die -- genau! --
auf dem Balkan und an den nördlichen Rändern Afrikas angesiedelt war. Seien es
Grundlagen des Christentums, die im heutigen Anatolien konstituiert wurden.
Es wäre auch stets neu daran zu erinnern,
daß das Reich der Orthodoxie, daß "Ostrom" noch intaktes "Imperium
Romanum" gewesen ist, als "Westrom" schon zerstört war.
Es liegen also allerhand Wurzeln dieses
Abendlandes in jenen Gebieten, innerhalb von Territorien, die heute teilweise als verpönt
gelten. Davon handeln aber die Debatten in meiner Umgebung nicht, wo es überhaupt recht
still zugeht.
Nicht prinzipiell. Es gibt Niscen mit
lebhaften Diskursen. Ich hab etwa meine "transatlantische Debatte", zur Zeit mit
Michael Roloff und Scott Abbott in den Staaten, Lothar Struck in Deutschland ... Da fallen
mir dann so anregende Sätze wie der folgende zu:
>>Wäre Jugoslawien als Föderation
einen "dritten Weg" zwischen Marktwirtschaft und Kommunismus gegangen, wäre die
"Überlegenheit" des Westens infrage gestellt gewesen. Als die
Sezessionsgelüste aufbrachen, nahm man einfach denjenigen, der am lautesten schrie. Meist
waren dies Oligarchen, wenn nicht gar Mafiosi, also Verbrecher. Die einzige Ausnahme
bildete Slowenien. Das Kosovo ist heute (wie Montenegro) ein Mafiastaat (der Rezensent in
der NZZ feiert den Staat Kosovo als Friedensbringer des Balkans - was für ein
Blödsinn).<<
Darin stimme ich mit Lothar Struck übrigens
völlig überein. In genau solchen Debatten und dem Erörtern offener Fragen unterscheiden
sich für mich Plätze im Rang soziokultureller Nähkörbchen von Zonen, in denen
Kunstschaffende nach den Bedingungen und Umgebungen ihrer Kunstpraxis fragen.
Zivko, den ich oben erwähnt habe, leitet
nicht nur das Museum, er ist auch ein radikaler Künstler. Mit seiner Kollegin Danijela
Halda hatte ich Konsens, worüber ich mit ihm noch keine Klarheit finden konnte: Ein guter
Künstler und ein guter Mensch zu sein bedingt einander nicht. Zivko meint, ein Mangel an
Ethik würde einem Werk schaden. Ich glaube das nicht.
Egal, auch der Dissens bringt uns voran. Naja,
nicht immer und nicht grundsätzlich. Ich bin allerdings stets froh, wenn jemand seine
oder ihre Gründe zu nennen weiß. Perfekt wäre, wenn die Person dann auch noch zu sagen
verstünde, was sie tun wird, zu tun gedenkt, was also an eigenem Handeln mit ins Spiel
kommen wird.
Das gefällt mir zum Beispiel so sehr an all
den südslawischen Leuten, mit denen ich in den letzten Jahren zu tun hatte. Wißbegier
und Tatendrang. Was für eine feine Mischung!
Cut!
Ich hab gestern
notiert: "Sowas fällt doch nicht vom Himmel."
In Amerika würde man sagen, er sei
"babyfaced". Im Deutschen setzt der eingeführte Begriff später an. Da hieße
es wohl: Der "kindergesichtige" Tim K. Es wurden 113 Kugeln Kaliber 9 Millimeter
gezählt. 15 Todesopfer. Der Siebzehnjährige erschoß sich schließlich selbst. Ich
spekuliere nicht über Tim K. Ich verfolge mit Staunen die Berichterstattung. Da ist zum
Beispiel dieser große Artikel in der "Kronen
Zeitung":
Der Text behandelt AUSSCHLIESSLICH mögliche
Maßnahmen im Zugriff auf das Leben von Kindern und Teenagers. Kein Hinweis auf, kein
einzelner Satz über die Erwachsenenwelt, die unsere Kinder mit Ideologien und markanten
Beispielen an Gewalttätigkeit ausrüstet, schließlich auch mit den passenden Waffen.
Denn ein Siebzehnjähriger kann ja selst nicht in das nächstbeste Geschäft gehen, um da
eine Beretta zu kaufen, eine Handfeuerwaffe von furchterregender Effizienz.
Gewaltdarstellung ist ein mediales
Hauptgeschäft, wie eben auch das der "Krone". Weltweit ist nichts für Frauen
so gefährlich, wie das Familienleben. Oft genug ist es für sie tödlich. Und was Kinder
tagtäglich an Gewalt erleben, möchte ja eigentlich gar nicht gewußt werden.
Waffen sind stets präsent, mindestens
visuell. Dafür sorgen alleine schon zahlreiche "Revolverblätter" und
Mainstream-TV. Gewalttätigkeit ist es ebenso: allgegenwärtig. Wie sagte Unternehmer
Erwin Stubenschrott? "Die beste Erziehung nutzt gar nichts. Die Kinder machen uns
doch alles nach."
August
2001Vormittags
oder auch gar nicht
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