16. März 2009

Vor einer Weile war Valentinstag. In der Stadt hörte ich die üblichen Verwünschungen: "Alles Liebe! Und sie soll so bleiben, wie sie ist." Was für ein Kampfruf: "Alles soll bleben, wie es ist!" Bis einem das Gerümpel um die Ohren fliegt.

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Ich habe eine passende Ilustriation dazu in einem dem zahllosen Kitsch-Bunker des "Web II" entdeckt, wo ich gelegentlich lande. Webgestützte Communities, in denen das "Adden" mit bunten Bildchen manifestiert wird. Was bedeutet: Jemand hat sich als "Freund" deklariert und hinterläßt eine Bildmarke, welche auf die eigene Website verweist, womit er oder sie bei jemandem "angefügt" wird.

Ich stehe diesem Stil mit purer Ambivalenz gegenüber, denn am Recht auf billige Unterhaltung möchte ich keinesfalls kratzen. Neben allerhand ästhetischer Grausamkeiten finde ich dort auch die feuchten Träume aus der strengen Kammer braver Mädchen auf hinreißende Art visualisiert.

Wie immer man es bewerten mag, es bleibt dennoch Ausdruck von allerhand Sehnsüchten, die eben eine vom Alltag abgehoben Darstellung nahelegen.

Mein Mädchen flüsterte mir zu diesem Bild, die ganze Umgebung wäre verzichtbar, zu viele Details; und die Frau stört. Ein fescher Kerl für sich, an einen Mast gefesselt, paßt schon, das ginge allenfalls als anregend durch.

Möge das Motiv als Markierung am Wegesrand gelten dürfen. Irgendwo beginnt es eben, daß man sein Sehen schult und seine Neigungen entfaltet.

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Ich nenne wenigstens EIN sehr relevantes Motiv für den Wunsch, menschliche Erfahrungen mögen über so simple Möglichkeiten der Darstellung, der Rezeption und des Wollens hinauswachsen.

In ganz einfachen, groben Katgorien zu denken hindert einen sehr verläßlich daran, komplexe Problemstellungen zu bearbeiten und zu lösen. Damit ist jeder Hierarchie der Weg freigeräumt, um Deutungseliten in den Sattel zu hieven, die FÜR uns das Deutungs- und Problemlösung- geschäft betreiben.

Schlechtes Konzept! Ein Beispiel: Die aktuelle (Welt-) Wirtschaftskrise verdanken wir unseren Eliten. Die österreichischen Bildungskrisen (da ist ja mehr als eine) besagen sicher nicht, was in dummer Dünkelhaftigkeit gerne angedeutet wird, daß nämlich "alle Lehrer" Deppen seien.

Diese Krisen sind der Ausdruck eines träge gewordenen Apparates, dessen maßgebliche Entscheidungstragende sich nicht aufraffen konnten, die Weichen zu stellen, über die eine Chance besteht, in der Gegenwart anzukommen.

Darum höre ich in den laufenden Debatten und Polemiken zum Thema Lehrerschaft jede Menge Blödsinne und beleidigten Tonfall. Es scheint leider auch so zu sein, daß ziemlich viele Angehörige dieses Berufsstandes innerhalb bestehender Hierarchien zu wenig Position bezogen haben. Was hindert die Lehrerschaft, jene Arbeitsbedingungen durchzusetzen, mit denen für die Gegewart angemessene Ergebnisse möglich wären? Ich weiß es nicht!

Ich habe schon an verschiedenenn Stellen eine Angelegenheit strapaziert, die das mit den Hierarchien an den Grundlagen berührt: Das Ende des Zustandes als Untertan meint unter anderem, daß wir ALLE am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben teilnehmen sollen. Wir üben es wenigstens seit 1848 und es fällt uns all das nicht gar so leicht. In meinem Büchlein über Spielzeugautos habe ich einen der Zusammenhänge angerissen:

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Es geht um ästhtetische, um kognitive, auch um emotionale Erfahrungen jenseits der "Allagsnützlichkeit". Wo übt und lernt man solche Dinge? Beim Spielen. Und auf dem Wege zur Befassung mit Kunst. Was gerne als "Ernst des Lebens" verstanden wird, hat seine Fundamente im Spielerischen. Sonst bekommen wir es mit lauter sehr engstirnigen Leuten zu tun, deren Problemlösungskompetenz über geballte Fäuste und geladene Pistolen nicht weit hinausreicht.

Künstlerin Michaela Zingerle mailte mir eben, es lasse sie ...
>>... nicht kalt zu hören, das 75% der Bevölkerung mehr Kunst- und Kulturuntericht sowie Vermittlung an Schulen wünschen! <<

Ich denke, wir werden uns solche Themen noch genauer anzusehen haben, um zu klären, welche konkreten Maßnahmen tauglich erscheinen, den Stellenwert dieser Möglichkeiten anzuheben. Die Defizite deser Gesellschaft sind evident, die Schadensfälle sind teilweise entsetzlich.

Aber an all dem ist eigentlich NICHTS wirklich Überraschendes. Selbst den jugendlichen Amokläufer eingerechnet, der gerade die aktuellen Schlagzeilen dominiert hat. Kränkungen, laufende Demütigungen als "Normalität" in Gemeinschaften, Gewalttätigkeiten im Realen und in Phantasien als Standard, dazu hier und dort "unbescholtene Bürger", die ihr Haus voller Waffen haben.

Ich male mir aus: Wie würde denn mein 17jähriger Sohn an eine Faustfeuerwaffe kommen und woher wüßte er sie effizient einzusetzen? Wodurch wäre er ausreichend geduckt, gekränkt, von Aussichtslosigkeit gepeinigt und in einer Ecke gelandet, aus der ihm nur noch ein Massaker als "Türöffner" zu irgend einer Form von Entlastung vielversprechend erschiene?

Sowas fällt doch nicht vom Himmel.

Jänner 2002

Atmen nicht vergessen!

[Hinfällige Notizen] [***]


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12•09