27. Dezember 2008 Was über
Menschen mit Sicherheit gesagt werden kann: Jemanden zu quälen fördert auf beiden Seiten
sehr dunkle Regungen. Wenn jemand mißhandelt wurde, braucht es eine Menge an Vorsatz und
günstigen Möglichkeiten, um die Konsequenzen der Tortur abzumildern, vielleicht
aufzuheben.
Es ist also ziemlich erstaunlich, daß unsere Kulturen bis
heute keine stärkeren Schranken gegen die Gewalttätigkeit errichten konnten. Vielleicht
rüttelt jede Kränkung an solchen Schranken, was in der Folge hieße, daß die wirksamste
Prävention das Vermeiden von Kränkungen wäre.
Im Mainstream des Unterhaltungsgeschäftes dominiert
freilich die Empfehlung, jede Kränkung mit einem Schlag gegen ihre Quelle abzuwischen.
Ich habe kürzlich einen Roman des Ismael Kadare
erwähnt, in dem der "Kanun" beschrieben wird, ein Geflecht von Konventionen,
durch das Gewalttätigkeit streng reglementiert und so eingedäcmmt werden soll.
Ein anderes Beispiel ist Martin Scorseses Film Gangs of New York,
in dem geschildert wird, wie ein "Recht des Stärkeren" weichen muß, als eine
"höhere Organisationsform", nämlich Staatsgewalt, sich ausdifferenziert und
Platz greift.
Das Bild markiert eine Stelle im Film, da endet jene
Kontroverse, die Amsterdam, der Sohn von Priest Vallon, mit Bill
"The Butcher Cutting angestrebt hat. William Cutting unterliegt in dieser
Begegnung dem jungen Mann und läßt dabei sein Leben. Er hatte an einer anderen Stelle in
der Geschichte sein simples Herrschaftsprinzip erläutert: Das Abbrennen eines
Feuerwerks der Furcht. Also: Terror.
Ist das jenes Grundprinzip von Wildnis, wo wir durch
Übereinkünfte und Gewaltverzicht sicheres Terrain abringen möchten? Können
Erzählungen dazu beitragen, die dafür nötigen Konventionen zu stärken?
Cut!
Aufräumarbeiten zur kommenden Jahreswende. Ein Teil davon
betrifft die VAN-Website. Das Aviso,
wo die wöchentlichen Updates gelistet werden, ist nun neu geordnet. Anderes betrifft den
"Realraum", den Ort der realen leiblichen Anwesenheit.
Wenigstens eineinhalb Jahre war meine Wohnung nun am
wenigstens Lebensraum, sondern vor allem Büro, Werkstatt, Labor und Lager. Ich habe mit
dem Rückbau begonnen. Das hat eine sehr pragmatische Seite. Wenn meinen Gegenwart
mehr Platz verlangt, muß ich etwas von meiner Vergangenheit aus dem Haus werfen.
Sowas meint natürlich Artefakte, nicht Lebensgeschichte.
Ich muß in den verfügbaren Regalen und Schränken Platz gewinnen, damit die Böden und
Tische wieder frei werden. Wer so in Bücher vernarrt ist wie ich, wird nachempfinden
können, welcher Schritt gesetzt ist, wenn ich beginne Bücher wegzuschmeißen.
Und! Notizhefte.
Manierliche Autoren hegen und pflegen ihre Notizhefte,
leiten daraus Romane von Rang ab und halten den Bestand beisammen, denn es wird früher
oder später ein Vor- oder Nachlaß daraus. (Das Wort Vorlaß finde ich
ziemlich sensationell.) Ich werde zu solchen Kulturereignissen nichts beitragen können.
Vor geraumer Zeit habe ich mir den kompletten Bestand an Gedichten vieler Jahre vom Hals
geschafft, da mir diese Texte nicht mehr wichtig erschienen, indem ich Manuskripte und
Typoskripte zum Altpapier-Container brachte.
Dieses schöne aber verlorene Wort Typoskript,
seit hierzulande niemand mehr mit Schreibmaschinen schreibt. Es ist mit dem Klappern der
Typenhebel wie mit den Korkkrümeln und der Geste des ersten Schluck Weins im eigenen
Glas. (Siehe Eintrag vom 3.12.2008!) Verloren,
weil von anderen Formen abgelöst.
Ein Momentchen Wehmut sei mir gestattet. So habe ich bei
der Durchsicht aus den Notizheften einzelne Blätter herausgerissen, um kleine Stücke,
weitgehend aus dem Zusammenhang geholt, hier aufzulisten. Splitter. Bei einer häuslichen
Archäologie aus den verworfenen Beständen geborgen. Hinfällige Notizen, die ich hier
zeige, die Blätter werden danach jeweils weggeworfen.. Ein erstes Beispiel:
November 2000 Jodeln kann jeder.
Es darf aber nicht jeder.
[Hinfällige Notizen] |
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