30. Jänner 2009
Da waren noch einige Momente der Nachdenklichkeit.
Leader-Managerin Iris Absenger (rechts) und ihre Assistentin Veronika Jandl im Gleisdorfer
"forum KLOSTER". Bald darauf war freilich die Hütte recht voll. Leute aus allen
Teilen der Steiermark. (Siehe dazu die Doku-Page im Labor
von "kunst O.ST"!)
Ich hab weiter in meinem Archiv gekramt. Die
gestern erwähnte Zeitschrift "Regionalentwicklung" hatte in der Ausgabe 3/91
den Aufmacher Schwierige Nähe
Initiativen zwischen "Staat und Privat"
Was für ein brisantes Thema! Eben auch heute, wie diese
aktuelle Konferenz zeigte. Die Brisanz ist vielleicht an folgendem Aspekt deutlich zu
machen, den ich über zwei mögliche Positionen so beschreiben möchte:
Position a) ist jene, welche ich für die
"antiquierte" halte, indem man Leuten, die den Staat repräsentieren,
ausrichtet: "Wir haben folgendes Problem ... Was wollen Sie tun, damit wir es
los werden?" |
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Position b) ist jene, die mir zeitgemäß
erscheint. Von da aus würde die Botschaft etwa so lauten: "Wir haben für folgendes
Problem folgende Lösungsansätze in Arbeit. Können Sie dazu etwas beitragen?
Ein prägnantes Zitat aus der 1991er-Ausgabe der oben
erwähnen Zeitschrift könnte auch heute erschienen sein. Richard Hummelbrunner schrieb im
Vorwort:
Diese Problemlage hat also ihre Konjunkturen, kehrt
offenbar auch stets wieder. Wenn ich von Kunstschaffenden höre, sie hätten andere Sorgen
als sich um solche Fragen zu scheren, ihr Werk verlange alle Aufmerksamkeit, bleibe ich
stets verblüfft. Dieses kindliche Verhalten, seine Sorgen einer "Vater-Instanz"
vorzutragen, statt unter seinesgleichen Verbündete zu finden, mit denen man Politik und
Verwaltung zum Gespräch bittet, um zu klären, was geschehen solle, scheint auch stets
wiederzukehren.
Ich bin inzwischen rund 30 Jahre in diesem Metier tätig
und seit rund 30 Jahren erlebe ich stets neu genau dieses Reaktionsmuster, die
"kindliche Klage" als Antwort auf aktuelle Problemlagen.
Gut. Ist eben so. Dagegen finde ich am aktuellen
Arbeitsansatz im Leader-Kontext finde ich folgenden Aspekt sehr interessant. Aus zwei
Abteilungen des Landes Steiermark höre ich die akkordierte Empfehlung:
Wir haben hier einen Brocken Geld, den wir investieren
werden, wenn ihr interessante Projektideen zur aktuellen Problemlage der Gesellschaft in
eurem Lebensraum habt. Wir möchten übrigens gerne Projekte sehen, in denen die
Gegenwartskunst einen nennenswerten Stellenwert hat. Und zwar genau NICHT, um dem
Tourismus zuzuarbeiten, sondern um in eurem Lebensraum mehr Wertschätzung zu erlangen.
Falls ihr zu all dem keine Ideen habt, machen wir mit dem Geld eben was anderes.
Das ist ein sehr spannendes Angebot. Vor allem auch
deshalb, weil natürlich das Zentrum Graz gegenüber den peripherien noch enorme Standort-
und ressourcenvorteile hat, die dort kaum zu unseren Gunsten abgegeben werdern dürften.
Wir wären dagegen gut beraten, kein "Modell Haifischbecken" zu forcieren, das
ewta bedeutet: "Sollen dort Initiativen eingehen, damit wir wachsen
können." Das wäre ein fatales Konzept. Ich bin überzeugt, dazu müssen uns
bessere Wege einfallen, die erprobt werden möchten.
Nun höre ich einige Leute sagen: "Aber ich verdiene
als Künstler einfach zu wenig. Könnt ihr nicht dagegen was tun?" Kommt die Antwort:
"Ja, gut, pardon, falsche Party. Das Anliegen müssen Sie bitte wo anders vortragen.
Darum geht es hier grade nicht." Weiter: "Naja, aber wir Künstler verdienen in
Österreich wirklich zu wenig."
Auch das hat seine Konjunkturen und kehrt offenbar stets
wieder. Energisches Aneinandervorbeireden. Nein, die gestrige Konferenz hatte wenig davon.
Kaum etwas. Aber das schwebt doch stets im Raum, wenn über Kulturgelder geredet wird.
Künstler Walter Kratner, hier neben Kunsthandwerkerin
Christa Ecker-Eckhofen, vertrat die sehr anregende Position, es solle nach seinem
Geschmack hier, im Leader-Kontext, weniger um Kunst und mehr um Kultur gehen. Eine
Ansicht, der ich massiv zustimme.
Wir reden ja über Gelder vom "Aktionsprogramm Achse 4
LEADER über kulturelle Förderungen im ländlichen Raum" in einer wesentlichen
Zuständigkeit der Abteilung 16 (Landes- und Gemeindeentwicklung) des Landes Steiermark,
in Kooperation mit der Kulturabteilung des Landes.
Das Innovative läge hier nicht darin, mehr Geld in die Kunstproduktion
zu stecken. Darum mag sich kümmern wer will. (Sag ich deutlich als freischaffender
Künstler.) Aber nun in der regionalen Gemeindeentwicklung (also jenseits von Graz!) damit
voranzukommen, daß Gegenwartskunst an Aufmerksamkeit und Akzeptanz gewinnen könnte, ohne
dabei vom Tourismus gleich in die Pflicht genommen zu werden, DAS ist Neuland in der
Peripherie des Landeszentrums.
Daß also in solche Schritte erheblich Geld investiert
werden soll, wenn wir uns dieser Aufgabe widmen, halte ich für eine Novität. Genau
solche Prozesse, falls sie greifen, falls also WIR in der Lage wären, das voranzubringen,
würden mittelfristig die Marktsituation von Kunstschaffenden eher positiv beeinflussen,
als wenn das nämliche Geld in individuelle Kunstproduktion gesteckt würde.
Daß die soziale Lage Kunstschaffender in Österreich
besorgniserregend ist, wissen Leute wie Kratner und ich nicht bloß aus eigener
praktischer Erfahrung. Das ist ja auch voriges Jahr mit einer Studie bestätigt worden,
die seither im zuständigen Ministerium herum liegt. (Siehe dazu die Notizen in Log #116 bei "next
code".).
Aber genau diese Faktenlage bringt mich ja zur Auffassung,
daß sich Kulturpolitik keineswegs in der Finanzierung individueller Kunstproduktion
erschöpften dürfte, sondern uns dabei unterstützen soll, die Strukturen zu verbessern,
um damit -- unter anderem auch -- unsere Marktsituation zu verbessern.
Wem das zuwider ist, wem diese Aufgabenstellung bei seinem
künstlerischen Tun störend erscheint, wird sich entweder an seine Familie wenden
müssen, falls die bereit ist, jemanden durchzufüttern. Oder man befürwortet eine
Rückkehr hinter die Renaissance, wo Fürsten und Bischöfe einem Häuflein
Kunstschaffender Brot und Rang anboten.
Wo aber die "Autonomie der Kunst" vertreten sein
will, werden wir uns selbst um die Bedingungen der Kunstproduktion und -publikation sehr
intensiv scheren müssen.
August
1996Die
Schwächung des Künstlerbegriffes bedeutet eine Stärkung des Managements.
[Hinfällige Notizen] [***] |
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