14. Jänner 2009

Wenn ich in dieser Jahreszeit schon früh am Morgen die Feuerwehrsirene höre, heißt das mutmaßlich, es hat auf der nahen Autobahn geknallt. (Weiß eigentlich jemand, seit wann das kuriose Wort "Straßenglätte" zu unserem Wortschatz gehört?)

Ich hab meinem "Bürgerkäfig" gestern einen Kanister frostfester Scheibenwaschflüssigkeit gegönnt und der Kiste mit einem neuen Eiskratzer gedroht, welcher eine mächtige Klinge hat. Halb so wild. Das heruntergebröselte Zeug ließ sich mit der Bürste entfernen. Durch wache Nachbarn weiß ich nun, was mir völlig neu ist. Das Gebrösel ist quasi hausgemacht: sogenannter Industrieschnee.

Diese Wintersituation bringt neben der Kälte auch ein erhöhtes Dreck-Level. Pannendienste kommen mit der Starthilfe nicht nach, weil viele Autobatterien schon müde sind. (Es scheint mir, die Batterie ist überhaupt das Beste an meinem Auto.) Es wird überdies empfohlen, Autos momentan nicht zu waschen, weil ja, wer hätte sowas gedacht, Wasserreste einfrieren

Aber natürlich sehe ich die Waschboxes bei Tankstellen rege frequentiert. Mir gefällt daran besonders das üppige Hervorquellen von Dampf. Das sieht in der Winterkälte sehr hübsch aus. Und ich denke an das Buch "Lenk mich doch!" von David Staretz, wo an einer Stelle steht: "Schmutz ist Ehrlichkeit und nicht korrumpierbar."

Das schlägt sich natürlich mit dem Standard "bürgerlicher Tugenden", die bis ins Proletariat durchgeschlagen haben. Ich erinnere mich an so manche Situation, wo mir freundschaftlich dargelegt wurde, mein jeweils aktuelles Auto sei in seiner Erscheinung kein günstiges Statement.

Zum Glück ist auf dem Kunstfeld eine Art noble Distanz zur Aufgeräumtheit nicht prinzipiell kreditschädigend. Obwohl es dann in manchen Abschnitten -- zu Recht -- schon darauf ankommt, daß die Dinge klappen.

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Wie bei den zwei Ausstellungen mit den Arbeiten von Künstlern aus dem Kosovo: [link] Kleine Nachbesprechung; von links: der Tierarzt Karl Bauer, die Kunsthistorikerin Sigrid Meister und Winfried Kuckenberger, Leiter des Gleisdorfer Büros für Kultur und Marketing.

Erfahrungsschritte auf dem Weg wachsender Kooperationen der drei Sektoren: Staat, Markt und Zivilgesellschaft. Das korrespondiert auch mit dem gestrigen Eintrag und meinen Gesprächen mit dem hiesigen City-Manager. Es erscheint mir ja nicht überzeugend, einfach die Wichtigkeit von Kunstpraxis zu behaupten und davon einen Anspruch auf Finanzierung abzuleiten. (Außerdem funktioniert das erfahrungsgemäß nicht besonders gut.).

Cut!

Ich habe gestern notiert:
"Eine Guerilla, die sich mit Zivilpersonen abschirmt, aus ihren Stellungen herauszuschießen, das bedeutet eben, am Rande von Kriegsverbrechen zu agieren. Daran gibt es nichts zu beschönigen."

Das meint unter anderem:
Mir leuchtet völlig ein, daß Israel auf den permanenten Raketenbeschuß durch die Hamas militärisch reagieren muß. Ich sehe im Moment keine andere Option, die Terroristen von diesem Beschuß abzuhalten. Es ändert aber nichts daran, daß es bei eben dieser Operation offenbar zu Kriegsverbrechen kommt.

Das soll durch keine euphemistische Sprachregelung verborgen werden. Es muß im Blickfeld bleiben, wenn die brisante Gegenwart zur Debatte steht, wo eben -- was ganz offensichtlich der Fall ist -- Menschenrechte und Landkriegskonventionen verletzt werden, wenn ein Staat seine Gewalt zum Schutz seiner Zivilbevölkerung mobilisiert.

Mich würde nun interessieren:
Welche Debatten und Schlüsse können angesichts solcher Dilemmata entstehen?

Damit möchte ich weiters deutlich machen:
Diese Gegenwart ist ganz offenbar (erneut) nicht in Eindeutigkeit beschreibbar. Es ist ja das Wesen eines Dilemmas, daß es vorerst keine einfache Lösung zuläßt. (Prävention? Das ist ein anderer Teil der Debatte.)

Faktum bleibt:
Nicht "Die Hamas", sondern ein Teil der Hamas hat es offenbar auf genau diese Eskalation angelegt, weil das für sie politisch nutzbar sein dürfte. Es gibt also innerhalb der Hamas ganz unterschiedliche Intentionen. Außerdem ist die Hamas mit der Fatah verfeindet. Das palästinensische Volk hätte es also auch ohne die aktuelle Konfrontation mit Israel nicht gerade einfacher.

Was Israel früher zu dieser Entwicklung beigetragen haben mag, ist angesichts der momentanen Gewalteskalation eher eine Frage der Geschichtsbetrachtung, die keinen Ausstieg aus dieser Gewaltsituation weist.

Das wäre ja die Anforderung an alle beteiligten Seiten: Ein sofortiger Ausstieg aus der Gewaltanwendung. Solange weder Israel noch die Hamas das tun, sind Debatten über Moral völlig müßig, denn die Situation drückt ja aus, was vorläufig der Hauptpunkt ist: Die leidende Zivilbevölkerung ist BEIDEN Seiten im Moment bloß "Manövriermasse" im Kampf der ungleichen Gegner.

Ein kurzer Überblick:
Es galt ab dem 19. Juni 2008 im Gazastreifen eine sechsmonatige Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas als vereinbart.

Während des Sommers gab es im Gazastreifen weiter Gewaltakte, vor allem eine blutige Konfrontation zwischen Hamas und Fatah sowie Schläge gegen israelische Ziele. Das palästinensische Volk hat also offenbar unter sich auch sehr verläßlich Feinde seiner selbst.

Anfang November 2008 wurde die Waffenruhe von Hamas-Kämpfern (als Antwort auf eine israelische Militäraktion im Gazastreifen hin) mit dem Abschuß von Kassam-Raketen auf israelisches Gebiet ausgesetzt. Israel schlug vor, die Waffenruhe dennoch weiter gelten zu lassen. Die Hamas lehnte ab.

Am 27. Dezember 2008 gab es weitere Raketenangriffen auf israelische Städte. Das war der Tag, an dem Hamas-Generalsekretär Khaled Meschal aus seinem Exil in Damaskus zur dritten Intifada gegen Israel aufrief.

Nichts, gar nichts daran erscheint mir überraschend, daß Israel daran ging, die Hamas nach Kräften zu Boden werfen. Man darf wohl sagen: Koste es, was es wolle. Ich habe gestern in "Der Spiegel" eine Passage entdeckt, die genau das ausdrückt:

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Freilich finde ich furchterregend, was der Mann sagt, aber ich schätze die Unverblümtheit, durch die er mitteilt, worüber nun nachzudenken wäre: Welche Konsequenzen muß die internationale Gemeinschaft aus den Erfahrungen mit solchen Dilemmata ziehen? Es können ja nicht solche sein wie eine Revision der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte".

November 2001

Die göttliche Kunst besiegt das Handwerk, der Souverän adelt den Künstler durch einen besuch in dessen Atelier.

[Hinfällige Notizen] [***]


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