7. Jänner 2009

Ich habe hier nun über eine Reihe von Spielfilmen erzählt, die mich begleiten. Das Cineastische findet ein Echo in verschiedenen zeitgenössischen Kunstrichtungen, in denen heute teilweise eine Art Kolportage-Stil gepflegt wird.

Dadurch wird andrerseits ein Querverweis auf Dokumentarfilme gegeben, die bei uns in der jüngeren Vergangenheit an Bedeutung gewonnen haben. Ich bin selbst von diesen Entwicklungen stark beeinflußt, was sich in einer Reihe von Arbeiten niederschlägt, die ich unter dem Schlagwort "official bootleg" in Stationen von "next code" einbringe.

log1278a.jpg (18243 Byte)

Zum Festival "steirischer herbst" haben wir im vorigen Jahr mit "next code: exit" einen Schwerpunkt auf serbische Beiträge gesetzt, die sich teils kritisch mit der Rolle serbischer Leute im Sezessionskrieg Jugoslawiens befassen. (Wie jenes Video von Nenad Glisic, aus dem der oben gezeigte Ausschnitt stammt.)

Es war vor allem dieser Krieg, bei dem sich der Journalismus (West-) Europas über weite Strecken selbst diskreditiert hat. Ich halte das für einen der Gründe, warum es naheliegend wurde, daß Kunstschaffende sich Mittel dieses Feldes aneignen und ihre Aktivitäten auf dieses Feld ausweiten.

Amerika hat in der Ära Bush diese Diskreditierung der Profession durch die Einführung des "embedded journalism" erweitert. Ich will das keineswegs verallgemeinern. Vermutlich besteht der Kontrast zwischen willfährigen und engagierten Journalisten, seit es das Metier gibt.

Um noch bei Serbien zu bleiben: Mir fehlen bis heute ausreichende Auseinandersetzungen darüber, warum etwa die Nato anläßlich der Eskalation im Kosovo ohne Mandat und, wie es heute scheint, ohne ausreichende Rechtfertigung bombardiert hat, während auf Srebrenica vorrückende serbische Verbände genau nicht bombardiert wurden, obwohl es seitens westlicher Offiziere energische Anforderungen dazu gegeben hat.

Robert Fisk schrieb schon 2001: "Our shame over Srebrenica". [Quelle] Aber wo wird dieses Thema noch behandelt? Fisk meinte damals unter anderem:

>>The West's humiliation at Srebrenica -- specifically that of the Dutch UN battalion that allowed the Serb victors to separate the Muslim women and children from the men who were to be murdered, but also the UN and now Nato's pusillanimous commanders -- was still not fully recognised.<<

Es scheint sehr schwierig zu sein, einem seriösen Journalismus ausreichend breites Interesse zu verschaffen, um zum Boulevard und zu realitätsfremden Spielfilmwelten ein ausreichendes Gegengewicht zu schaffen.

Ich hab hier im vergangenen September [link] die Ansichten eines Professionals notiert. Oberst Hans Thomaschitz war der erste KFOR-Kommandant im Kosovo, trainiert momentan Soldaten für den Einsatz im Taschad. Er skizzierte mir den enormen Unterschied zwischen Kriegsfilmen und der Realität.

Man bekommt von solchen Zusammenhängen aber auch einen passablen Eindruck, wenn man unsere Bilder aus Actionfilmen mit der Realität vergleicht. Zu den markantesten Personen der Gegenwart gehört in diesem Zusammenhang der serbische General Ratko Mladic. Er wird nach wie vor gesucht, weil ihm wegen Kriegsverbrechen der Prozeß gemacht werden soll. Es geht dabei vor allem um die Verantwortung für das Massaker vor Srebrenica.

log1278b.jpg (10533 Byte)

Hier ein Video-Still aus einer BBC-Dokumentation, wo man Mladic mit Thomas Karremans, dem Kommandeur der "Dutchbat III", sieht. Ich habe in verschiedenen Quellen darüber gelesen, wie Mladic dem Offizier  eine Zigarette anbot und dazu sagte: "Nehmen Sie eine. Sorgen Sie sich nicht, es wird nicht Ihre letzte sein."

log1278c.jpg (12598 Byte)

Die enorme Schärfe dieser Empfehlung läßt sich erst ermessen, wenn man gesehen hat, wie der serbische General den Repräsentanten der westlichen Militärmacht davor eingeschüchtert hat. Das ist aber, wie eben auch Tomaschitz betonte, sehr viel näher an ganz vertrauten Alltagsgeschichten, denn an großspurigen Attitüden von Leinwandhelden.

Es gibt davon ein Filmdokument auf Youtube. [link] (Siehe dazu auch: "Timeline: Siege of Srebrenica" [link]) Wovon schreibe ich hier? Unter anderem von einem Ringen um Anteil an der "Deutungsmacht", die in zu hohem Maße von rein kommerziell orientierten Leuten okkupiert ist. Das ist eine politische und eine soziokulturelle Ambition; nämlich den "Fälschern" da und dort in den Arm zu fallen.

[Der "Balkan-Reflex"]

Dezember 2006

Solidarität ist ein Geschwindigkeitsproblem.

[Hinfällige Notizen] [***]


[kontakt] [reset] [krusche]

2•09