6. Jänner 2009 Die
winterliche Kälte nimmt zu und ich lese, daß Rußland seine Gaslieferungren energisch
drosselt, um Differenzen mit Abnehmern zu regeln. Was so alles passiert, um uns in Sorge
zu stürzen, denn nicht heizen zu können ist eine ziemlich beunruhigende Vorstellung.
Was sich alles innerhalb meiner Biographie ergeben hat. Zum
Beispiel, daß man einst Menschen, die sich in ökologischen Fragen engagiert haben, zu
völligen Idioten zu stempeln versuchte. Wie viel Arroganz und Inkompetenz darf sich unter
Entscheidungstragenden halten? Naja, inzwischen fallen manche Debatten darüber schon
etwas leichter.
Vor kurzer Zeit konnte sich in den USA jemand noch
erhebliche Feindseligkeit einhandeln, wenn er zum Beispiel forderte: Wir sollten
sparsamere Autos bauen und den Benzinpreis etwas anheben, dann könnten wir uns bei der
Armee eine Menge Geld sparen.
Cut!
Filme wie die gestern
erwähnten bieten mir die Möglichkeit, manche der "Stimmungen" wieder zu finden
und zu begreifen, die in meiner Kindheit Wirkung hatten. Das ist ja ein Effekt, den ich
auch in Romanen suche. Eindrücke von einer Ära oder einer Region zu bekommen. Das muß
sich natürlich nicht bloß in so bedrückenden Beispielen mitteilen.
In der Komödie "Desk Set" (1957)
ringen Spencer Tracy und Katherine Hepburn um eine Liebe, der aus Konventionen und
Rollenbilder einige Barrieren entstehen. Es ist aus heutiger Sicht einigermaßen
irritierend, woran sich Leute der Generation meiner Eltern gestoßen haben, um sich so
ihre Beziehungen zu erschweren. Oder aber: Staunenswert, wenn sichtbar wird, von wo sie
ausgegangen sind, um dann irgendwie zu einander zu finden.
In diesem Film zeigt sich ferner, daß und wie damals die
Computertechnik im Vormarsch war. Dieses "Rechenzentrum" ist sehr romantisch
aufgestellt und steht außerdem auf einem sensationellen Bodenbelag. Ich vermute, dieses
Motiv á la Piet Mondrian war für Leute meiner Herkunft einigermaßen provokant. So eine
"moderne Kunst" sorgt ja heute noch für aggressive Reaktionen.
Ich war ziemlich verblüfft, als ich kürzlich in der
Gleisdorfer Bürgergasse Menschen vor dem "Einraum" über die da ausgestellten
Bilder reden hörte, wobei sich eine Frau laut ereiferte, indem sie meinte: "Nicht
einmal geschenkt würde ich so eines nehmen."
Was mag jemanden bewegen, seine Borniertheit und den Mangel
an ästhetischer Erfahrung derart auszuposaunen? Wie sich etwa ein österreichischer
Landeshauptmann diesen Zuständen angebiedert hat, in dem er verkündete, er habe in
seinem Leben kaum mehr als ein Buch gelesen, nämlich eines von Karl May?
Ich deute es so:
Wer den Aufstieg geschafft hat, unterstützt die Exklusivität seines Milieus, indem er
sich den Untertanen als Untertan, als Einer der Ihren rekommandiert. Ein
Täuschungsgeschäft. Denn was hier unterlaufen wird, ist die demokratische Anforderung,
am politischen und kulturellen Leben eines Landes teilzunehmen. Das kann man aber nicht,
wenn man weder Zeit noch Interesse dafür aufbringt.
Cut!
Sowas zählt zu meinen Vergnügungen. Einen Jahresvorrat an
dicken Notizheften zu haben. Er rundet die Bestände meiner Möglichkeiten, deren buntere
in all den Büchern, Journalen und Filmen angelegt sind, die ich stets um mich habe. Es
sind die Unterlagen neuer Erzählungen, wachsender Prozesse.
Cut!
Ich schrieb gestern
bezüglich der Konfrontation zwischen Hamas und dem Staat Israel sowie des Einmarsches der
Armee im Gaza-Streifen: "Geht uns das etwas an? Selbstverständlich!" Wie das
gemeint ist?
Über wie viele Jahrhunderte waren unsere Leute permanenter
an Judenhatz beteiligt? War die römisch-katholische Kirche nicht immer wieder prominent
in diese Sache verwickelt? Hat Österreich nicht einen untypisch hohen Anteilen an
Täterinnen und Tätern im Holocaust gestellt? Ist der Antisemitismus nicht nach wie vor
sehr lebhaft in diesem Land?
Das sind Beiträge, die dem Zionismus eine scharfen
Kontrast gaben, der sich eben auch in der heutigen Situation ausdrückt. Ich vermag die
aktuelle Militäraktion Israels nicht zu beurteilen. Ich sehe bloß ein tiefes Dilemma,
eine Art "Doppelbindung", in der es anscheinend nicht mehr möglich ist, richtig
zu handeln. "Richtig" im Sinne von "Den Betroffenen gerecht werden".
So ein Dilemma ist wohl am schlimmsten, wenn die Handelnden
unter Waffen stehen. Der Waffengang scheint die Konsequenz jener Dilemmata zu sein, die
schon davor auf politischer und diplomatischer Ebene entstanden sind beziehungsweise
ungelöst blieben.
Jänner 2002In Wien hat etwas Nichtrepränsentatives keinen Sinn.
[Hinfällige Notizen] [***] |
[kontakt] [reset] [krusche] |