30. Dezember 2008 Ich hab gestern zum Stichwort Rückbesinnung
angedeutet, daß ich nicht glaube, Menschen würden durch Schaden klug werden, ich hielte
es für wensetlich vielversprechender, prospektiv Regeln zu vereinbaren.
So knapp vor Beginn des neuen Jahres machen außerdem
zahllose Menschen die Erfahrung, daß sie sich in diesem oder jenem Bereich Besserung
vornehmen, daß diese Vorsätze aber kaum den Februar erreichen.
Auf dem Boulevard hat die
Selbstbetrugs-Gymnastik gerade Hochsaison. (Quelle: "Kronen Zeitung") Diese
Headline bringt als Hauptereignis nicht wahre Werte. Die sind sowieso bloß
eine Markierung, welche ins Leere führt. Übliches Karaoke. Im Blatt findet sich die
Phrasendrescherei dann ausdrücklich. Da konstatieren die Journalisten Kurt Seinitz und
Christoph Budin:
>>Auch Kardinal Schönborn beobachtete schon in der
Vorweihnachtszeit einen Wandel zu neuen Werten: ...<<
Also was nun? Alte oder neue Werte? Und falls ja, welche?
Die Autoren zitieren den Bischof: |
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>>"Ich beobachte in den
Vergangenen Wochen, dass viele Menschen stärker über beständige Werte wie Familie und
Kirche nachdenken", stellte der Kardinal im "Krone"-Gespräch mit.<<
Geschwätz! Daß der regionale Filialleiter unter
Kirche schon per se einen Wert versteht, ist verständlich. Es
löst sich aber nimmer ein, wenn man den schlechten Zustand der Ökumene beachtet, denn da
sind ja auch noch andere Kirchen, nicht nur die römisch-katholische, ebenso die
evangelische, die orthodoxe ... aber das ist nicht mein Thema.
Daß Familie quasi per se ein Wert
sei, bleibt eine lustige Behauptung, gerade zu Weihnachten, wo wegen der Spitzenwerte an
Familienkrachs die Kriseninterventionszentren, Familienberatungen und Notrufe aller Art
Höchstkonjunktur haben.
Der Kardinal konstatiert nicht, legt keinen Bericht und
Befund vor, er unterstellt, er drückt sein Wünschen aus. Das sollten Journalisten
unterscheiden können. Können sie aber nicht. Es scheint auch egal zu sein.
>>Die menschliche Gemeinschaft beginnt, sich
bereits umzustellen.<<
Von welchem Ausguck man solche Beobachtungen machen kann,
bleibt ein Rätsel. Ein Kardinal übt sich als Orakel. Ideologie und Propaganda. Wie
eingangs erwähnt, die Headline hat als Hauptereignis nicht die wahren Werte,
das ist sowieso bloß eine Markierung, die ins Leere führt, ihr Hauptereignis ist die
Rückbesinnung.
Das ist der Schwindel mit der langen Dauer den
ich gestern erwähnt habe. Ein rhetorischer
Kniff, um sich Legitimation anzumaßen. Es geht so: Früher, vor langer Zeit, als die
Zeiten besser waren, als wir schon dabei gewesen sind, da war die Moral
höherstehend, da waren die guten alten Werte in Ehren gehalten, wie
wir es heute noch tun, so wie eine Bäckerei, gegründet 1829,
natürlich eine bessere ist als jene, die erst vorgestern eröffnet wurde, denn nur was
lange Dauer hat, kann gut, würdig und legitim sein etcetera blala ...
Ich nehme es kurz wörtlich. Rückbesinnung.
In die Tage meines Großvaters, der einem Kaiser diente,
von dem die schlimmste Katastrophe losgetreten wurde, die je von Menschen initiiert wurde?
(Genau, der Erste Weltkrieg.) In die Tage meines Vaters, der einem Führer diente, welcher
die übelsten Verbrechen vertrat, die eine Staatsmacht durch ihre Organe vereinen kann?
(Unter deren prominenten Tätern durften sich übrigens viele nach Kriegsende der
Fluchthilfe durch den Heilgen Stuhl erfreuen.)
Nein, diese bischöfliche Augenauswischerei, verbrämt von
schlampigen Journalisten, hält keiner Überprüfung stand, erweist sich als ziemlich
substanzlos, reiht sich so unter die Etikette Anästhesie.
Juni
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