24. Oktober 2008

Ich hab gestern von unserem Lokalaugenschein im Bassano-Saal des KHM in Wien erzählt. Vor dem Eingang des Saales steht diese Büste. Ich hatte ursprünglich angenommen, sie gehöre zum Hausbestand.

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Bis mir die kyrillischen Buchstaben auf der Kappe des Matrosen auffielen. "ABPOPA". Dieses Schiff, die "Aurora", hatte ich in Sankt Petersburg gesehen. [link] Ein Schuß aus der Bugkanone des Kreuzers gilt als Startzeichen für die russischen "Oktoberrevolution" von 1917.

Die Büste, eine Arbeit von Boris Orlov, gehört zur Ausstellung „Dieses obskure Objekt: Kunst“, welche nächste Woche eröffnet wird. Russische Gegenwartskunst aus der Sammlung der "Stella Foundation".

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Abends ging es dann gleich nach Weiz weiter. Wobei mir der Nebenweg, den ich gewählt hatte, eine Route, die direkt auf den Weizberg führt, einen Moment bescherte, wie er unwahrscheinlicher nicht sein könnte. Denn ich hatte am Nachmittag in Niederösterreich jenen raren Ford Anglia aus den 1960ern entdeckt.

Nun fuhr ich bloß wenige Stunden später an dessen Modell-Vorgänger, einem Anglia aus den 50er-Jahren, vorbei. Die "Gesichter" zweier verschiedener Jahrzehnte im direkten Vergleich (siehe dazu den gestrigen Eintrag!) ... inzwischen sind die Zyklen, in denen wir uns über unsere Güter nach außen darstellen, sehr viel kürzer geworden. Am Weizberg fand ein "Round Table" statt, zu dem Fery Berger gebeten hatte.

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Eine beachtlich große Runde von exponierten Leuten aus Kultur, Politik, Sozialem und der Wirtschaft. Berger machte klar, daß wir eine Krise erleben, die nun natürlich auch in diese Region durchschlagen werde. Opinion Leaders der Region seien daher gefordert, JETZT zu klären, was sie zu tun gedenken. Soweit es die wirtschaftlichen Implikationen der wachsenden Krise betrifft, gab Autor Gero Jenner einen weiteren Einblick in die Zusammenhänge.

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Jenner, auf dem Foto rechst neben Fery Berger, machte deutlich, wie heute "leistungsloses Einkommen", also die enormen Kapitalmengen und die Profiterwartungen einer reichen Minorität (kaum 10 % der Bevölkerung) ganze Volkswirtschaften zu Boden reißen, weil die "Realwirtschaft" diese Profiterwartungen nicht bedienen kann. Wird dann das Geld von den Reichen zurückgehalten, weil sich ihre Profiterwartungen eben nicht erfüllen lassen, fehlt es der Realwirtschaft auf gefährliche Art (Deflation).

Ich habe im Eintrag vom 1. Oktober schon ein anderes Beispiel, das Jenner früher darlegte, beschrieben. Der Autor wurde provokant gefragt, ob daß denn nicht etwas "linke Ansichten" seien, wenn es da so gegen die Reichen gehe. Jenner erwiderte, Fakten seien nicht links oder rechts, sondern wahr oder falsch. Das gelte es zu klären. Die anschließende Debatte war von sehr unterschiedlichen Zugängen getragen.

Ich befand mich -- naheliegend -- im Bereich jener, die über öffentliche Diskurse und Definitionshoheiten nachdenken. Wahrhaftigkeit scheint rar geworden zu sein. Wir haben eben einen Wahlkampf erlebt, bei dem uns -- es läßt sich ja aktuell sehr gut vergleichen und prüfen -- alles mögliche als "die brennenden Probleme Österreichs" vorgeführt wurde. Aber, und das fällt eben auf, genau NICHT das, was zur Zeit tatsächlich unser Wohlergehen zu zerstören droht.

Dabei hat sich die reale Problemlage in Ereignissen wie dem "BAWAG-Skandal" mehr als deutlich angekündigt. Aber statt uns das darzulegen, haben erhebliche Teile der Innenpolitik und des Journalismus es vorgezogen, die sogenannten "Ausländerthemen" zu forcieren und allerhand "Sündenböcke" vorzuschieben, ohne bei jenen Eliten anzusetzen, die ein Finanzsystem, bedienen, das uns nun bedroht.

Da ist also ein erdrückender Mangel an Redlichkeit ganz allgemein, und ganz speziell ein Mangel an intellektueller Redlichkeit bei solchen Deutungseliten wie eben dem politischen und publizistischen Personal.

Eines von mehreren prägnanten Beispielen:

Wo hat uns denn der inzwischen auf obszöne Art zur "Lichtgestalt" verklärte Jörg Haider davon erzählt, daß es nicht ärmliche Flüchtlinge, sondern gut situierte Leute sein MÜSSEN, die dem Lande durch KORRUPTION im Jahr 2007 einen  Schaden in der Höhe von 23 MILLIARDEN Euro zugefügt haben? (Quelle: "Der Standard")

Was wiegen dagegen konkret die 12.000 straffälligen "Asylanten", die der vaterländische Hace Starche im Wahlkampf angeprangert hat?

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Wie viele hundert Jahre müßten die "Kleinkriminellen" ungehindert Gesetze brechen können, um auf so eine Schadenssumme zu kommen? Was für eine Augenauswischerei, die belegt, daß jene, die "kleine Leute" zu vertreten vorgeben, sich laufend bei den "großen Leuten" anbiedern, indem sie diese aus dem öffentlichen Diskurs draußen halten.

Wie erwähnt, ein erdrückender Mangel an Redlichkeit ...

[Wir Kinder des Kalten Krieges]


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