30. September 2008

Merkwürdige Fügungen. Ich arbeite momentan an meinem Video für unseren Beitrag zum Festival „steirischer herbst“. Das Projekt „next code: exit“ ist dem Thema „Ausgang aus dem Unglück“ gewidmet. Mein Video handelt von Gesprächen mit dem Maler Hannes Schwarz und seiner Frau Friedl.

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Es handelt von seinem Weg in eine Ordensburg der SS, da war er gerade zwölf Jahre alt gewesen. Er erzählt von seiner Zeit als „Herrenmensch“, seinen Eindrücken vom Schlachtfeld und von den Qualen, diese Zeit später zu reflektieren, um jemand anderer zu werden.

Ein alter Mann, der sich noch heute mit der Frage persönlicher Schuld an und Verantwortung für seine damalige Rolle quält. Ich habe nie zuvor jemanden aus der Nähe erlebt, der dabei mit sich derart schonungslos umgeht. Die Arbeit an diesem Video fällt nun genau in jene Tage, wo sich die Epigonen der Nazi feiern, wo Österreich den härtesten Rechtsruck der Zweiten Republik erlebt hat. (Siehe den gestrigen Eintrag!)

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Merkwürdige Fügungen. Vor wenigen Tagen fand in Gleisdorf die Einweihung jenes "Friedenszeichens" statt, das an einen Todesmarsch ungarischer Juden erinnert. Der evangelische Pfarrer Karlheinz Böhmer (links) und der Lehrer Peter Gerstmann hatten sich mit anderen Menschen dafür engagiert, daß dieses Stück Regionalgeschichte nicht einfach vergessen wird. (Siehe Eintrag von 27. September 08!) Ich hab in diesem Eintrag auch das Thema „Gutmenschen“ erwähnt.

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Michael Jeannée, Chef-Zyniker der Kronen Zeitung, lieferte gestern eine kleine Illustration dazu. Er hat merklich kein Problem damit, in welchem Ausmaß Haider und Strache ihre politischen Karrieren aktiver Menschenverachtung verdanken. Nun kommt zwar Haider aus einem nazistischen Milieu und ist Strache dadurch aufgefallen, daß er zu einem neonazistischen Milieu keine Distanz kennt. Ich würde sie deshalb freilich weder als Nazibuben“ noch als Faschisten etikettieren. Das macht es ihnen nämlich sehr leicht, diese Zuschreibungen abzuschmettern. Das macht es uns schwer darzustellen, was diese Burschen eigentlich tun.

Darzustellen wäre:
Sie bewirtschaften nicht nur die begreiflichen Zukunftsängste der Menschen und bieten ihnen dazu völlig falsche Erklärungsmodelle an. (Was reale Lösungen unmöglich macht.) Sie dienen sich außerdem einem längst wachsenden Anteil an Nazi-Epigonen als politische Vertretung an, lukrieren so Stimmen und fördern damit ihre privaten Karrieren. Ohne Rücksicht auf den enormen Schaden, der durch die politische Aufwertung von Nazi-Epigonen entsteht.

Wie macht man so was? Wie geht das? Einige Beispiele für die Beugung von Debatten und Themen, um nicht von Lügen zu sprechen.

Der vaterländische Hace Strache meint, das „Recht auf Heimat“ sei ein Menschenrecht. (In der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" sucht man das vergebens.) Die Aussage könnte der billigen volkstümlichen Musik entnommen sein. Das „Grundrecht auf Heimat“, wie es hier gedacht wird, ist kaum mehr als dummes Geschwätz. Die FPÖ arbeitet da mit einer völlig trüben Kategorie. Im „Handbuch freiheitlicher Politik“ liest sich das so:

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„Heimat“ ist kein klar definierter Begriff, ist keine politische, sondern bloß eine populistische Kategorie. Außerdem gibt es sowas wie eine „österreichische Leitkultur“ nicht. Und falls es sie gäbe, wäre sie von multiethnischen Bedingungen geprägt worden. Denn genau das war Österreich über viele Jahrhunderte, genau bis 1919: multiethnisch.

Da Strache die „autochthone Bevölkerung“ geschützt wissen will, müßte das jene einschließen, GEGEN die hier offensichtlich geschrieben wird. „Eingeborene“, im Lande geborene, dem Lande abstammende Menschen ... das wären natürlich auch die hier geborenen Muslime. Das wären überdies Juden und und und ...

Hieran bemerkt man den dümmlichen Dreh. Gebürtigkeit, Sprache und Glaube. Darunter ist KEIN konstituierendes Kriterium von Staatsbürgerschaft, also formeller „Nationalität“.

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Wenn einer wie Strache die Kirchen so hervorhebt, wenn er mit diesen Argumenten den Bau von Moscheen blockieren möchte, deklariert er sein geistiges Erbe. Denn würde „unsere“, wessen?, genau: unsere „gewachsene kulturelle und geistige Identität“ zur Debatte stehen, also die Österreichs, dann müßten ohne Wenn und Aber auch die Synagogen erwähnt sein.

Was wäre denn das Christentum, würde man seine Auseinandersetzung mit dem Judentum herausnehmen? Was wäre denn die abendländische Kultur, würde man die Beiträge von jüdischer Seite herausnehmen? Es gäbe die „Kulturnation“, die Strache zu verteidigen behauptet, so überhaupt nicht.

[Wir Kinder des Kalten Krieges]


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