1. November 2007
Miss Cool höchstpersönlich am E-Piano. Noch dazu bei
einem grenzgenialen Hadern von "Cream". Wie kommt es bloß, daß heutige Teenies dieses Trio im
Repertoire haben? "Sunshine Of Your Love" [soundsample] hat
mich bewegt, da war ich noch nicht einmal so alt wie die gezeigte Pianistin.
Blättert man nun kurz auf den 23. Oktober zurück, drängt sich die Frage auf: "Was habe ich
falsch gemacht?"
Ha! Fangfrage! Mit Ginger Baker, Jack Bruce und Eric
Clapton könnte ich bei meinem Sohn bloß eine Pose des Erbarmens auslösen. Unter uns:
Ich bin so frei, ihm den Anlaß dafür jederzeit zu geben. Hat so seine Richtigkeit.
Ich weiß, daß die Zeit und die Emotionen für mich
arbeiten, respektive für meine Position. Wenn es dann mit Lovesongs ernst werden sollte,
wird sich mein Sohn bei seinen schwermetallenen Musikern hart umsehen und seine Position
überprüfen müssen.
Auf der oben angeführten Wiki-Page über "Cream"
fand ich folgende Passage:
>>Der inzwischen 60-jährige Clapton soll der
Reunion vor allem wegen der sich verschlechternden Gesundheit seiner Kollegen zugestimmt
haben: Bruce, 62, hatte kürzlich eine Lebertransplantation und der inzwischen 66-jährige
Baker leidet an Arthritis.<<
Tja, derart verschieben sich Lebensschwerpunkte
gelegentlich. Aber! "Love Songs". So hieß ein Abend, der eine Reaktion auf
"next cod. love"
gewesen ist.
Lehrende von Musikschule und Gymnasium
Gleisdorfs hatten mit ihren Youngsters ein über zweistündiges Programm erarbeitet, in
dem musikalische Darbietungen mit literarischen Beiträgen und eigenen Videoclips von
einigen Filmausschnitten zum Thema durchsetzt waren. Begleitet
von einer Ausstellung, die ihrerseits wieder durch Beiträge aus den Fächern Philosophie
und Psychologie hinterlegt waren.
Man kann sich ausmalen, wie verblüfft ich war, was da an
Arbeiten und an Emotionen zusammenkam. Es wurde auch offensichtlich, was es den
Jugendlichen bedeutet, wenn sie zeigen können, was sie berührt und was sie können. |
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Aber das ist natürlich keine Domäne der
Jugend. Ich vermute, daß es natürlich auch unter Erwachsenen genau dort immer zu enormem
Abrieb kommen wird, wenn man nicht zeigen darf, was einen berührt und was man kann.
Das steht auf vielfache Art im Zentrum sozialer
Bedingungen. Ich hab vorgestern von einer Debatte
erzählt, in der mir jemand seine Überzeugung darlegte, das souveräne Österreich würde
auf den Einsatz seiner Armee verzichten, falls sich -- rein hypothetisch betrachtet --
etwa eines der Bundesländer aus dem Staate herauslösen und in die Eigenstaatlichkeit
gehen würde.
In dieser Debatte hörte ich auch die Auffassung, bei uns,
wie das schon klingt: "bei uns", würde doch auch im Krisenfall kein Blutbad
stattfinden. Warum eigentlich? Weil wir so zivilisiert sind? Oder etwa zivilisierter als
zum Beispiel die südslawischen Völker, die uns da als Referenzgröße naheliegen? Ich
meinte: "Sei da nicht so sicher." Denn solche Überzeugungen sind Chimäre.
Mein Gegenüber schien in dieser Passage unseres
Gespräches ganz und gar ungläubig, was jenen Punkt angeht. Ich wette, in Ex-Jugoslawien
waren unzählige, waren abertausende Menschen ebenso ungläubig, als es gerade zu
geschehen begann. Es sind nämlich nie "die Anderen", sondern "einige unter
uns".
Es muß heute und sollte uns allen klar sein, daß es keine
bestimmte "völkische Disposition" für Massaker gibt. Es ist Teil der
menschlichen Möglichkeiten, die bloß das brauchen: Bestimmte Rahmenbedingungen und
Voraussetzungen. Dann geht es los, ganz egal, welcher Herkunft die Halsabschneider sind.
Die Massaker, die Gräuel und Torturen sind nicht das
Geschäft pathologischer Fälle, auch wenn man unter den Täterinnen und Tätern
gelegentlich pathologische Fälle finden kann. Aber das Gros eines Personals des
Schreckens rekrutiert sich aus "Normalos", deren Normalität gerade Pause macht.
Man müßte im Gegenzug behaupten, daß "die
Jugos", daß Leute aus Ruanda, daß andere Ethnien besonders anfällig für solche
Täterschaft seien. Das anzunehmen ist ein soziologischer Unfug und aus der heraus
Geschichte nicht belegbar. Belegbar ist, daß wir es alle in uns haben und daß es starker
kultureller Schranken bedarf, um es an der Kette zu halten. (Siehe dazu: "Die Kunst
schützt uns vor Gleichgültigkeit", Über ein Gespräch mit dem bosnischen Autor
Dzevad Karahasan.)
Ich denke, ein guter Beitrag zu dieser kulturellen Aufgabe
ist es allemal, wenn wir laufend für Situationen sorgen, in denen Menschen zeigen
dürfen, was sie bewegt und was sie können. In solchem Wechselspiel von Ausdruck und
Aufmerksamkeit wächst Stabilität, die beiträgt, daß die "Massaker-Seite"
kein Gewicht bekommt. (Es gibt kein "Massaker-Gen"!)
[Wir
Kinder des Kalten Krieges]
Aber ich verbringe Zeit natürlich auch ebenso vergnügt
mit viel trivialeren Angelegenheiten. So hab ich bei einem Plauderstündchen mit einem
Frächter einen Moment erlebt, wo der Mann mich ans Fenster holte, in den Hof wies und
sagte: "Den hab ich da unten stehn." Ein wenigstens 30 Jahre alter,
luftgekühlter "Eckhauber" von Magirus Deutz, klassischer "Bulle", von
denen natürlich nur wenige übrig blieben, weil solche Fahrzeuge in der Arbeitswelt
gewöhnlich vollkommen niedergeritten wurden.
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