7. Juli 2007

Es heißt, auf Standesämtern würden heute Sonderschichten gefahren. Zahlenmystizismus (07.07.07) zum "schönsten Tag des Lebens", damit in der Folge ein schönes Leben herausschauen solle? In manchen Teilen Österreichs liegt dagegen die Scheidungsrate inzwischen bei 50 Prozent. Was für eine Bestätigung für Kulturpessimisten! Und da meinte jemand, die Scheidungen seien heute, was früher der zeitige Tod von Frauen im Kindbett war; oder die zeitige Witwenschaft. Man ist seinerzeit ja nicht sehr alt geworden. Von Ausnahmen abgesehen.

Es ist offenbar nicht leicht, den sozialen Realitäten der jeweiligen Gegewart halbwegs entspannt zu begegnen. Ich hab das Problem auch, obwohl der aktuelle Anlaß vergleichsweise marginal ist. Mein Sohn hatte mich wissen lassen, sein Zeugnis sei eigentlich besser als erwartet ausgefallen. Worauf ich ihm vorschlug, daß wir gemeinsam essen gehen. Dafür war ich zu spät dran, Mutter und Großeltern hatten sich bei ihm diese Option schon gesichert.

Also schlug ich vor ins Kino zu gehen. Worauf der Bursche meinte: Najaaaa, also, mit dem Vaaater ins Kino gehn ... Schlecht fürs Image? fragte ich zurück und meinte, ohne eine Antwort abzuwarten: Dann wirst du alleine gehen müssen. Na, ich mach mir Sorgen! Gabriel meinte, mir zum Trost, sein bester Freund werde sicher dabei sein.

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Für mich wurde daraus dann mein "Ramschkisten-Kino". Ich habe ein Faible für abgelegte Bücher und Filme, die für wenig Geld zu haben sind. Das Suchen nach interessanten Dingen macht mir Freude, denn Ramschkisten funktionieren ja ganz anders als die Läden. Wobei mir gestern das "The Million Dollar Hotel" von Wim Wenders in einer etwas lädierten Dose zufiel. Eine spröde Liebesgeschichte, in der Tom Tom (Jeremy Davies) an einer Stelle sagt: "Ich wollte immer schon mal ein Buch lesen. Aber wie findet man das richtige?"

Cut!

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Na sowas! Das ist doch ein passabler Ausgleich für die Absage an Salzburg bei der Olympia-Bewerbung. (Quelle: "Der Standard") Wie lange habe ich nun von vaterländischen Kräften zu hören bekommen, die "Öffnung nach Osten" werde unser Untergang sein, weil man sich von dort aus auf das Reich der Tüchtigen (Wir!) schmeißen werde, um uns auszuplündern?

Was ich in diesem Zusammenhang sehr amüsant finde: Die hier gezeigte Headline stand gestern auf der Eins, auf Seite drei konnte man folgendes Inserat der Raiffeisenbank finden:

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Das sind bemerkenswerte Faktenlagen gegenüber dem rassistischen Geschwätz, das ich gelegentlich sogar aus unserem Parlament vernehme. Es erscheint mir durch all das Putin nicht lieblicher. Und daß er meint, der Zuschlag für Sotschi sei ein Kompliment an seine Politik, kann ich mich nur wundern. Aber so läuft wohl das Geschäft.

Nachdem die Sowjetunion im Rüstungswettlauf mit den USA wirtschaftlich zusammengebrochen ist, aber auch an innenpolitischen Problemen und gesellschaftlichen Defiziten zerbrach, ist noch nicht all zu viel Zeit verstrichen, um Stabilität zu gewinnen.

Ich lese gerade, wie erheblich die Rolle Rußlands gewesen ist, nachdem die Osmanen untergegangen waren und Mustafa Kemal mit seinen Gefolgsleuten einen türkischen Staat schuf. Rußland als Angstgegner und Bezugspunkt in dieser Region, als unumgängliche Instanz im Werden eines Europas des 20. Jahrhunderts.

Historiker Eric Hobsbawm nannte es das "Zeitalter der Extreme". Es ist ein über weite Strecken sehr verwirrendes Kräftespiel, das mir klar macht, wie verlockend der Rückzug auf Stereotypen und Klischees erscheinen muß. Das passiert dann auch sehr gescheiten Leuten.

"Sebastian Borger aus London" schrieb: "Offenbar brachte der junge Doktor aber auch islamistischen Hass mit nach Schottland."

Was, bitte, soll denn das sein, "islamistischer Hass"? Haß ist doch Haß und hat entweder rein subjektive Gründe oder (auch) solche, die von außen, die von anderen wahrgenommen, fallweise nachvollzogen werden können. Gründe! Was sind die Gründe?

Borger schreibt: "islamistische Verblendung". Was soll denn das sein?

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Vielleicht könnten wir solchen Leuten, deren Haß uns unverständlich vorkommt, zur Abwechslung einmal zuhören und ihre Motive ernst nehmen. Vielleicht könnten solche Leute dann früher oder später damit aufhören, sich und andere zu töten; wenn sie erfahren würden, daß man ihnen zuhört, ihre Motive ernst nimmt, daß ernsthaft versucht wird, die Gründe hinter den Gründen hinter den Gründen aufzuspüren.

Denn "ganz vorne", wo Bomben hochgehen, sind die Motive freilich nicht mehr rationaler Art. Was wir uns via Medien als "Gehirnwäsche" auftischen lassen, ist ein radikaler Prozeß, an dessen Ende Tote liegen. Das tut doch niemand leichten Herzens. Was also sind die Gründe hinter den Gründen solcher Gründe?

Ich hatte vorgestern Notizen zum Thema "Mittelklasse-Terror" angelegt und gestern den sogenannten "Nahostkonflikt" als eines der tragenden Motive genannt, die von muslimischer Seite vorgebracht werden, wenn man nach Motiven der auffallenden Kontroversen und Kämpfe sucht.

Daß zugleich Israel darin eine sehr harte Position vertritt, weil Juden heute auf die Äußerung der Vorstellung einer Auslöschung ihres Staates oder ihrer selbst äußerst wehrhaft reagieren, ist Teil der Verstrickungen und Kausalketten, wurzelt unter anderem in einem Antisemitismus, der Jahrtausendtradition hat.

Dieser Antisemitismus hat viele Spielarten gezeigt, wurde von Fürsten und Regierungen genutzt, ist historisch in der römisch-katholischen Kirche geradezu institutionalisiert worden und da noch immer nicht verläßlich gebannt. Wenn wir uns alle aus den/diesen Zusammenhängen herausnehmen wollen, werden wir die gegenwärtigen Krisen weder verstehen, noch klären, noch lösen können.

[Wir Kinder des Kalten Krieges]


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27•07