15. März 2007
Morgen! "next code:
love" (Der Auftakt)
Die Sonne tief und kraftvoll, überdies genau vor mir,
quasi zwischen meine Augen zielend. Und mitten im stacheligen Gestrüpp, in das ich
geraten war, trennte mich immer noch ein Bach vom Zaun, hinter dem dieser Klassiker der
Arbeitswelt steht.
Ein Steyr Diesel. Keine Chance näher heranzukommen. Aber
so wie er dasteht fährt der nie mehr einen Meter. Ich werde also eine nächste Chance
kriegen. Alte Nutzfahrzeuge haben es mir ja besonders angetan. Diese Entdeckung mitten in
der Oststeiermark habe ich auf Abwegen gemacht, als ich gerade mit einem sehr neuen fast
Nutzfahrzeug unterwegs gewesen bin.
So komfortabel SUVs wie dieser Opel Antara sind, es mag mir
im Alltag solches Format nicht behagen. Zu viel Auto auf einem Haufen. Und so erstaunlich
die Wirkung der elektronischen Assistenzsysteme ist, mir fehlt daran einfach diese
unmittelbare Rückwirkung von Straße und Fahrzeug auf meine Hände. Bilde ich es mir
bloß ein oder ist da tatsächlich eine "schwammige Instanz" zwischen mir und
der Welt, die ich vorerst einfach nicht mag?
So war ich dann
mitten in die Landschaft gesetzt, als ich ein kleines Telefonat mit Dzevad Karahasan
hatte. Ich werde ihn heute treffen. Einer der Anlässe dazu ist sein neues Buch:
"Berichte aus der dunklen Welt". Diese Verabredung knüpft an meine gestrige Begegnung mit dem Historiker Robert
Hausmann, der mir erzählte, daß er sich seit etlichen Jahren mit dem Islam befasse.
Hausmann bekräftige meine Annahme, daß nicht viel Sinn ergebe von "dem
Islam" zu sprechen, weil Genesen und Positionen verschiedener Richtungen des Islams
zu verschieden seien.
Mir war das unlängst durch einen Kommentar von Ulrike Ackermann so irritierend
aufgefallen. (Siehe den Eintrag vom 12. März!) |
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Man mag sich das vorstellen, ich sitze in der äußerst bequemen Sitzgarnitur des
Antara, mitten auf einer "G'stätt'n" in der entlegendsten Oststeiermark, fast
eine Almlandschaft, Dzevad in Graz, und wir landen bei diesem
Thema.
Er sagt, er sei inzwischen bestürzt, wie Intellektuelle über dieses Thema reden
würden. Wörtlich: "Wenn ein Unteroffizier 'Islam' sagt, was er sich darunter
vorstellt, beunruhigt mich das gar nicht. Aber wenn ich einen Schriftsteller oder
Philosophieprofessor darüber reden höre, mache ich mir Sorgen."
Es wäre zu erwähnen, daß Dzevad Moslem ist, zugleich in der abendländischen
Geistesgeschichte bestens beheimatet und seit Jahrzehnten mit den Wechselwirkungen dieser
Bereiche befaßt.
Das Übel an solchen Prozessen, wie sie zur Zeit die Debatten beherrschen, sieht er in
der Vereinfachung. Auf gut Österreichisch wäre von einem gewissen
"Kronenzeitungs-Faktor" zu sprechen, inzwischen auch:
"Österreich-Faktor", da es ein avanciertes Boulevardblatt mit genau diesem
Titel gibt.
Ich war, offen gestanden, allerdings überrascht, daß Dzevad mir meine Annahme so
umfassend bestätigt hat, daß dieses Simplifizieren bei Intellektuellen nicht bloß in
meinem Sichtfeld festzustellen ist, sondern sehr viel weitreichender. Dennoch kein Grund
zum Pessimismus. Bleibt eben allerhand zu tun.
Am Ende von Dzevads "Tagebuch der Aussiedlung", das von Sarajevo und sehr bedrückenden
Vorgängen handelt, schrieb er:
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