12. März 2007
Bewegungsunschärfe. Da hilft nix. Aber so verhuscht die
Maschine erscheint, man erkennt den Klassiker. Es ist ein Mercedes-Benz 206 D, baugleich
mit seinem Ursprung, dem "Harburg-Transporter" von Hanomag-Henschel, einer
versunkenen Marke. Was man hier sieht, geht also konzeptionell auf 1967 zurück, bekam
1970 den Mercedes-Stern und wurde bis 77 gebaut. Ich halte das für eine interessante
Qualität, wenn 30 bis 40 Jahre alte Maschinen nicht für das Museum gehätschelt, sondern
im Alltag verwendet werden.
Cut!
Mein Dämon Vogeltanz fährt weiter seine Nachtschichten, das Booklet wächst und
kommenden Freitag haben wir unseren Projektauftakt draußen in der Stadt:
"next
code: love"
Florian Malzacher, leitender Dramaturg des Festivals "steirischer herbst",
mailte mir: "lieber martin - veronica kaup-hasler wird kommen ..." Ich bin
sehr zufrieden, da sich das alles entwickelt.
Cut!
Ich lese in letzter Zeit öfter, Europa sei dem Islam
gegenüber zu tolerant, europäische Intellektuelle ließen sich dabei zu Modi hinreißen,
wie sie vormals schon beim Thema Kommunismus als zu konziliant vorgekommen wären. Ulrike
Ackermann in "Der Standard":
>>Die Stalinismuskritik war damals hoffähig,
aber der Kommunismus als solcher wurde mit Samthandschuhen angepackt.<<
Wie denn? Von allen, die sich dazu äußerten, die darüber
publizierten? Wer denn? Womöglich diese ja und jene nein? Oder doch einfach: Alle, alle,
alle
?
Ayaan Ali Hirsi wird in solchen Zusammenhängen zunehmend
oft genannt. Sie tourt als Islamikritikerin und ist Anlaß zu Polemiken, neigt selbst zu
Polemiken. Hirsi hat unlängst wissen lassen, sie wünsche sich die USA als dominante
Weltmacht. (Siehe dazu den Eintrag vom 6.
Februar!)
So. Ja. Also. Europa und der Islam. Wer und was und wie
Islam? Und dann noch im Vergleich mit welchem Kommunismus? Aber. Der Islam. Hm. Schiiten,
Sunniten, Sufis, Aleviten, Bahai, dazwischen diese und jene Dschihadis und und und
alles der Islam? Das kann ich einfach nicht nachvollziehen.
Dazu käme dann noch meine bescheidene Erfahrung in
Österreich: Katholiken und Katholiken und Katholiken
gar nicht sehr homogen. Sind
das dann die Christen? Zuzüglich Altkatholische, Orthodoxe, Unierte
und sind die Juden nun Christen oder keine? Mindestens war ja Christus Jude, aber
ach herrjeh!
Also: Der Islam. Und Europas angebliche Milde, falsche
Rücksicht. In welcher Hinsicht denn? Haben wir Muslimen in Europa Dispens von diesen und
jenen Gesetzen erteilt? Sind etwa Mißhandlungen oder gar Morde, von denen gelegentlich
berichtet wird, wenn man die Lebenssituation islamischer Frauen erwähnt, sind diese Taten
nicht unter Strafe gestellt? Und sind sie überdies eine islamische Domäne?
(Jede dritte Frau weltweit hat schon Gewalt von Männern erfahren, in Österreich jede
fünfte Frau. Da schlagen ja auch Christen und Heiden fleißig mit.)
Warum sollte man nach tausend Jahren feindseliger
Positionen zwischen Abendland und Morgenland also plötzlich auf
Verallgemeinerungen, Polemiken, großzügige Zusammenfassungen verzichten? Naja,
vielleicht deshalb, weil, das möchte ich doch annehmen, europäische Intellektuelle, sich
auf jeden Fall der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verpflichtet
fühlen. Was, soweit ich lese, auch auf viele Intellektuelle aus islamischen Kulturen
zutrifft.
Falls man sich in Europa bei der Kritik außereuropäischer
Kulturen vorsichtig bewegt, könnte das ja auch mit der eigenen Erfahrung auf der
Täterseite von Eurozentrismus, Rassismus und Kolonialherrschaft zu tun haben.
Cut!
Apropos Orthodoxie. Die sich ja in den katholisch
dominierten Gebieten nicht gerade auf eine entspannte Ökumene verlassen kann. Die "APA" meldete heute morgen:
>>Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. wird
am Montag zu einem fünftägigen offiziellen Besuch in Österreich erwartet. Unmittelbar
nach seiner Ankunft in Wien trifft das Oberhaupt der Weltorthodoxie am Nachmittag mit
Bundespräsident Fischer, Bundeskanzler Gusenbauer und Vizekanzler Molterer
zusammen.<<
Daran fällt wenigstens auf, daß man bei uns offenbar
nicht wahrhaben will: Ein "Oberhaupt der Weltorthodoxie" müßte die Gemeinden
der vielen autokephalen orthodoxen Kirchen sehr erstaunen. Das Lateiner-Konzept des
Papstes als umfassendes Oberhaupt wird man in den Ostkirchen nicht finden. Autokephalie
bedeutet, daß die jeweilige Kirche keinem äußeren Oberhaupt untersteht.
Es ist eben verfänglich, wenn man andere Kulturen
ausschließlich durch die Brille der eigenen Kulturerfahrungen betrachtet.
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