26. November 2005 IIKommentar zur Lage 2005
Von Hubsi Kramar
Zum Rassismus im Herzen und zu den Herrn
in der Heimat Österreich 2005.
Österreich, oh du mein Österreich. Ich schäme mich.
Der erste Gedanke zum österreichischen
Recht, der mir als Kind buchstäblich ins Hirn gepresst worden ist, lautet:
Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Das wurde mir eingetrichtert, das ist
mein Rechtsverständnis. Und siehe da, es stehen und knien 10 weisse, österreichische
Polizisten und Sanitäter auf einem Schwarzafrikaner, der niedergespritzt und an Händen
und Füßen gefesselt ist. Er stirbt nachweislich daran. Die Täter wären nicht
ausreichend geschult gewesen, war die erfolgreiche Argumentation der Verteidigung. Das
Urteil für die nachgewiesene fahrlässige Tötung lautet: Zweimal sieben Monate bedingt
und acht (lässige) Freisprüche.
Aber was ist jetzt mit meinem
Rechtsverständnis? Mir scheint, es handelt sich hier eher um das österreichische
rechts Verständnis. Ich schäme mich zutiefst für dieses Urteil im Prozess
bezüglich der fahrlässigen Tötung des Schwarz-Afrikaners Cheibani Wague.
Ein Urteil, im Namen des
österreichischen Volkes, also auch in meinem Namen. In meinem Namen wurde auch schon am
1. Mai 1999 der Nigerianer Marcus Omofuma, ebenfalls ein Schwarzer, von österreichischen
Beamten, meinen Landsleuten, zwangsbehandelt, zu Tode gebracht, und in der Folge wurden
diese für die fahrlässige Tötung nur bedingt zu acht Monaten verurteilt.
Am 27. Mai 1999, kurz nach der Tötung
von Marcus Omofuma, wurden, sozusagen zur Ablenkung und Rechtfertigung, im Zuge des ersten
Lauschangriffes und der vaterländischen Aktion Operation Spring, 104
SchwarzafrikanerInnen gefangen genommen, und in Folge, auch in meinem Namen, von
österreichischen Richtern zu mehr als 1000 Jahren Haft verurteilt.
Die Ungerechtigkeiten, die zu den
Urteilen geführt haben, sind zum Teil von kaum zu beschreibender Niedertracht. Im Namen
des Volks. In unserem Namen.
Nein, ich schreie Nein, nicht in meinem
Namen. Es ist eine Schande. Vor nicht allzulanger Zeit waren die Juden an allem Schuld,
nun sind es die AsylantInnen, vor allem die Schwarzen.
Das Muster kennen wir. Wo die politisch
Verantwortlichen versagen, braucht es einen Schuldigen. Jemanden, den man sofort erkennt.
Die Anderen. Heute sind es die AsylantInnen, vor allem
die Schwarzen, die Kriminellen, die
Drogenhändler und Kinderverderber. Die Volksverderber. Wenn die weg sind,
haben wir keine Probleme mehr, das kennen wir doch: Nicht gerade die Minderheit der
ÖsterreicherInnen hat gegrölt: Heil dem Führer, Deutschland erwache und Juda
verrecke. Am 9. November 1938 war die Reichskristallnacht. Wo die Anderen, damals
die Juden, auf die Straße gezerrt worden sind und als Volksschädlinge misshandelt,
gefoltert und getötet worden sind. Ich glaube nicht an Zufälle.
Am 9. November 2005 hat die
österreichische Justiz ein Urteil gefällt. Ein Urteil, das offenlegt, Wer und Was das
Eigene ist und Wer und Was das Andere ist und vor allem, wer dieses Mal die Anderen sind,
die so anders sind als Wir. Die kriminellen Schwarzafrikaner.
Wir sind unseren heimatlichen Loden und
Trachten so herzlich, heimatlich verbunden.
Wir, das sind die Tüchtigen und vor
allem die Anständigen, die Fleißigen, die Ordnungsliebenden, die Katholischen, die
Rechtschaffenen. Der Herr im eigenen Haus sein, mit der Heimat im Herzen. Nach
der waldheimatlichen Haiderisierung Österreichs nun die
Strachisierung.
Wie schäme ich mich für unsere
gewählten MandatarInnen, die kaum ihren Mund aufbringen.
Aus Angst, die braune
WählerInnen-Tünche nicht zu verärgern. Die Saat ist wieder aufgegangen. Im Jahre 2005.
Im Jahre der niederträchtigen, großen Freiheits-Jubelfeiern.
Und 2005, da ist doch auch etwas? Das
Fest der Verdrängung, das Jahr Null wird gefeiert. Davor war Nichts. Es muß doch einmal
Schluss sein mit den alten Geschichten. Um im nächsten Jahr ungetrübt Mozart
abfeiern zu können. So als nationalen Schulterschluss. Kopf braucht es keinen. Denken,
Nachdenken stört. Mir graust vor all diesem staatlich verordneten Ungemach. Österreich
wird ja dieses Jahr wiederum amtlich als erstes Opfer des verbrecherischen Nazifaschismus
gefeiert. Jetzt wird uns von den Jubelverantwortlichen, den höchsten
RegierungsvertreterInnen suggeriert, dass wir ÖsterreicherInnen erst 1955 befreit worden
sind.
Das würde dann doch heißen, dass wir
doch keine Opfer, sondern MittäterInnen sind. Dass wir 1945 nicht vom Naziterror befreit
worden sind. Ein Schelm ist, wer schlecht denkt.
Es herrscht Einigkeit im Lande. Jetzt
erst recht, ganz rechts. Das heisst also, dass wir doch zu den Tätern gehören.
Inoffiziell schon. Aber amtlich nicht. Aha, dann können wir tief durchatmen. Offiziell
legen die Angehörigen der Kameradschaft IV der Waffen-SS alljährlich am 1. November vor
dem Kriegerdenkmal auf dem Kommunalfriedhof in Salzburg einen Ehrenkranz für die
Waffen-SS nieder mit der
Aufschrift Zum ehrenden Gedenken den gefallenen Kameraden der ehem. Waffen-SS.
Es ist ein volkstümlicher Brauch, wird uns amtlich bescheinigt - um uns, die
wir diese SS-Ehren-Schleife jedes Jahr
abschneiden, amtlich wegen Sachbeschädigung zu verurteilen. Obwohl die Waffen-SS als
verbrecherische Organisation verurteilt worden ist. Obwohl es ein Gesetz gibt, das
Wiederbetätigung unter Strafe stellt. Ob das amtlich bekannt ist?
Aber Unwissenheit schützt vor
Strafe nicht. Das war der Satz, der mich, seit ich ihn gehört habe, tief
beunruhigt. Was weiß ich denn? Und was kann ich von der Fülle an
geschriebenem Recht überhaupt wissen? Und was verstehe ich davon, bei dieser schwierigen
Sprache des Rechts?
Fragen über Fragen. Und gleichzeitig
diese, die Fragen begleitende Unruhe, verbunden mit einer latenten, tiefen Angst. Weil mir
eben bewusst war, kaum etwas von dieser schwierigen Materie fassen zu können und somit
ständig in Gefahr zu sein, etwas falsch zu machen. Denn eines habe ich schon sehr früh
erkannt, dass viele zu unschuldigen Opfern dieses komplizierten System des staatlichen
Gewaltmonopols gemacht werden. Des Monopols der Eingeweihten und somit auch der
Herrschenden und Besitzenden. Ein System, das Ungerechtigkeit aus sich heraus immer wieder
neu erschafft. Die Umkehrung von Opfer und Täter ist ohnehin ein Lieblingsspiel in diesem
Staate. Was für eine unfassbare, nachträgliche, immerwährende Verhöhnung und
Verurteilung von Millionen Opfern des Hitlerfaschismus.
Wer ist unschuldig, wer schuldig? Wer
sind die Täter, wer die Opfer?
Nie wieder Krieg. Immerwährende
Neutralität. Das war die Erkenntnis aus den schrecklichen Jahren des Austrofaschismus und
Nazifaschismus. Die Ursachen für die Verbrechen der Faschisten waren auch und vor allem:
Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus in jeder Form.
2005 das Jahr des Vergessens.
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