28. September 2005

Die "Guided Tour" war Anlaß, ein sehr schönes Motiv wieder aufzugreifen. Den "TatOrt" des Kunstgeschehens. Der Neapolitaner Angelo Ricciardi hatte "art line do not cross" voriges Jahr initiiert und wir spielten es um die halbe Welt. [LINK] Heuer griffen es "mathieu und molicnik" in der Schweiz neu auf. [LINK] Ich hab es nun kurz noch einmal in Graz eingezogen.

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[One Monday]

Cut!

Zu den gestern erwähnten steirischen Netzwerken (am Beispiel eines Zitates aus Stefan Karners "Die Steiermark im 20. Jahrhundert") hier eine kurze Notiz zum Thema "alte Eliten", die teils in der Wirtschaft, teils in Kultur und Geistesleben Spitzenpositionen besetzen.

Ich darf als bekannt voraussetzen: Erzherzog Johann, der „Steirische Prinz“, ist eine regionale Ikone von höchstem Rang. Aus seiner Ehe mit der Postmeisters-Tochter Anna Plochl ging das Geschlecht derer von Meran hervor. Harnoncourts entstammen den luxemburgisch-lothringischen Grafen de la Fontaine und d’Harnoncourt-Unverzagt. Mayr-Melnhof sind alter Adel, mit Göß und Saurau verbunden. (Georg Mayr-Melnhof wurde in Medjugorje berufen: LINK) Mayer-Rieckh stammen in direkter Linie von Kaiser Franz Josef und Sisi ab etc. etc.

Sieht man nach, wer einige der steirischen Leitbetriebe gegründet hat und führt, teilweise mit weltweitem Standing, durchforstet man die Credit-Lists von maßgeblichen Kultureinrichtungen wie dem Joanneum, Kunstverein Graz etc., hat man etliche der von Karner genannten Familiennamen stets vor Augen.

Cut!

In den öffentlichen Diskursen Österreichs tauchen immer wieder Begriffe wie Neidgesellschaft oder Jagdgesellschaft auf. Wenn ich vorhin einige Nachkommen alten oder jüngeren Adels genannt habe, dann halte ich deren Angehörige nicht zwingend für die Quellen solcher Zuschreibungen. Da hängt sich ja kleinbürgerliches Publikum mit herzzerreißenden Aufstiegsträumen viel eher aus dem Fenster. Wie Leserbriefspalten auf dem Boulevard offenlegen.

Aber auch das politische Personal greift solche Motive gerne auf. Doch was unter dem Strich herauskommt und vom Phantasma der "Neidgesellschaft" verschleiert wird, lautet so ... eine Headline im gestrigen "Standard":

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Was konkret bedeutet, daß dank christlich-sozial dominierter Politik ein immer reicher werdendes Land zunehmend Armut produziert. (Unlängst hat die Weltbank Österreich auf Platz #7 der reichsten Nationen gereiht.)

Das wäre ein Anlaß, das alte "Pareto-Prinzip" des 1848 geborenen Wilfried Fritz Pareto in Erinnerung zu rufen. Der in Italien einst überprüfte, wie das Volksvermögen verteilt sei. Um herauszufinden, das 80 % des Vermögens in den Händen von 20 % der Familien sei. Was ja heißt, 80 % der Menschen müßten mit 20 % des Anteils ihr Auslangen finden. Hat sich das geändert? Weil die "alten Dinosaurier" auszusterben drohen?

[Balkan-Reflex]

Cut!

Zu meinen Ansichten über Dinosaurier auf Wahlplakaten schrieb mit Theatermensch Hans Fraeulin:

Lieber Martin,
danke für Deine Hinweise. Dass Ludwig Erhard die deutschen Intellektuellen Pinscher nannte, sei Dir nachgereicht. Strauß' Verdikt von den Ratten und Schmeißfliegen galt übrigens den Journalisten, namentlich denen vom Spiegel und nicht dem direkten politischen Gegner. Dinosaurier sind seit Jurassic Park positiv konnotiert. Die Kinder, die sich seinerzeit einen Dino-Zoo zulegten, dürften jetzt Erstwähler sein. ...

Die komplette Email: HIER.

Cut!

Ohne Beschimpfungen geht's auf dem Kunstfeld offenbar nicht. Das eingehende Angebot reicht von banal bis höchst einfallsreich. Die Anlässe, ähnlich, von marginal bis erheblich. Taucht Dissens auf, bricht oft ganz schnell die Befindlichkeitsprosa los. Jüngeres Beispiel:

"Na ja - du bist ein echter Fanatiker und glaubst, wenn du dich mit fremdem Federn schmückst, dann genüge dies schon. Dein Name oder gar der Name kultur.at findet man überhaupt nirgends, ausser auf deinem Cyberflug nach nirgendwo!"

Mir fällt auf: diese enthusiasmierten Orakel da draußen neigen zu ähnlich lautenden Befunden. Im Detail hinkt es ein wenig, das sollte man bei großen Emotionen aber niemandem ankreiden. Ach, wo sind die Wochen, da mir mein Operetten-Österreicher Artigkeiten wie folgende zugestellt hat?

"du schneebrunzer, gamskampla und hasnhieafla", "du medienfurzer", "du bist ein verfuehrer und dein daemon heisst veitstanz, ..." 

Denn so man schon beschimpft wird, was auf dem Kunstfelde gar nicht aselten vorkommt, sollte ja Esprit im Spiel sein. Diese Latte schaffen aber nicht alle Leut. Leider. Dennoch reizt mich die Vorstellung, bei freien Ressourcen etwas Zeit auf die Zusammenstellung einer kleinen "Enzyklopädie der Beschimpfungen" zusammenzufassen. Denn aus dem ursprünglichen Zusammenhang sanft herausgelöst zeigen solche Schimpforgien manchmal zart erbauliche, auf jeden Fall sehr erheiternde Wirkung.

Cut!

"Enzyklopädie der Beschimpfungen" läßt mich daran denken, daß ich meinen aktuellen Lieblingssatz schon ein Weilchen nicht mehr genannt habe:

"Wer ist Vogelsang?

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