16. August 2005

Ich hab gestern den besonderen Zusammenhang von Reise- und Handelsrouten mit der Gastronomie betont. Ich trage so allerhand kuriose Details für mein "area820" zusammen. Ein großer Einkehrgasthof mußte nicht nur die Reisenden, sondern auch die Pferde unterbringen. Ein Stall mit bis zu 20 Stellplätzen war Standard.

log490a.jpg (15704 Byte) Zapfwirte, Gastgeben, Tafelwirtschaften, Kaffeesieder, Saufhäuser und Venushöhlen ... es heißt, im Graz des späten 18. Jahrhunderts seien die Preise hoch, die Qualität niedrig, die Bedinung schlecht aber die Kellnerinnen auffallend hübsch gewesen.

Ein Kino mit mehreren Sälen ... die Gegenwart in 8020 Graz. Seinerzeit hieß Volksbelustigung: Spazierengehen und Genuß der Natur, Einkehr in einem Biergarten oder Schankhaus, Kartenspielen und Kegeln.

Cut!

Neuerdings wird mein Freundeskreis, werden auch Menschen, mit denen ich beruflich kooperiere, mit derlei Mitteilungen bedacht:
„schaemt ihr euch nicht, mit diesen verbrechern zusammen zu arbeiten ???“

Ein Verbrechen ist eine schwerwiegende Sache. Wer davon wüßte und es nicht zur Anzeige brächte, hätte selbst gegen geltendes Recht verstoßen. Aber im Kraftfeld des „Balkanreflexes“, im Kielwasser des Kalten Krieges wird „das Gute“ zuweilen ohne Rücksicht auf erprobte Regeln verteidigt. Wie freundlich von einem meiner „Operetten-Österreicher“, daß er mir die Thesen meiner Plaudereien umgehend illustriert. Damit erweist er sich als das hartgesottene Gegenstück zum schwächelnden „Herrn Karl“, den uns Qualtinger und Merz gezeigt haben. Mein Operetten-Österreicher ist in Personalunion Erhebungsbeamter, Ankläger, Geschworener, Richter und Exekutor der selbst verschriebenen Maßnahmen. Er behauptet einfach, belegen muß er nicht.

Es ist mit einem Operetten-Österreicher zuweilen so schwierig, weil er über den Rand seiner Bühne nicht hinaussieht. Dort, im kleinen Guckkasten, zählt nur seine eigene Inszenierung. Und alles, was im Dunkeln liegt, macht ihm große Angst. Manche Menschen werden mit steigender Angst sehr gefährlich. Die Tradition lehrt als simple Methode: Der Opponent wird zum „Nichtmenschen“ erklärt, aus der Gemeinschaft der Menschen per Definition ausgeschlossen.

Es ist eine Grundübung der Barbarei, mit Menschen, die einem mißliebig geworden sind, genau so zu verfahren. Das haben die Nazi nicht erfunden, aber zu staatstragender Perfektion entwickelt. Die vielfältigen Instrumente dazu legt der Rassismus bereit. Kein Massaker ohne die vorauseilende Markierung der Opfer als „Nichtmenschen“. Vorzugsweise in der Herabwürdigung auf „Schädlings- und Ungezifernieveau“. Diese Methoden überstanden natürlich das Ende der Nazi-Herrschaft und durchzogen den Kalten Krieg bis in die Gegenwart herauf.

Ein Beispiel. Als einst der bayrische Landesfürst Franz Josef Strauß einen Autor sich auf solche Art zurechtstellte, implizierte er in einem einzigen, knappen Satz, daß Ungeziefer ohne Umwege auszurotten sei:

„Gegen Ratten und Schmeißfliegen führt man keine Prozesse."
(Während einer Wahlkampfrede in Köln 1980, bezogen auf Bernt Engelmann / QUELLE)

Mein (momentan) aktivster Operetten-Österreicher, der sich mir unlängst an die Waden geheftet hat, ließ mich eben folgendes wissen:
„nazis koennen in meinen augen keine menschen sein und einer, der sich in einer sa-parteiuniform mit ss-runen portraitieren laesst, und das in einer zeit, in der alle verbrechen der nazis umfassend bekannt wie bewusst geworden sind, ist in meinen augen auch kein mensch. der oststeirische virtuelle neokreisleiter hat nicht bloss mein auge, sondern auch mein inneres beleidigt. und das ist unverzeihlich.“

Das ist so verblüffend, weil er sich (mir gegenüber) als Nazi-Aufdecker geriert und das (unter anderem) genau mit den Mitteln betreibt, auf die Nazi nicht verzichten konnten, um ihre Verbrechen zu forcieren. Gerade diese Erfahrungen, daß Massaker, Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Absenken von Hemmungen sich vor allem dieser Methode bedienen, den Unliebsamen, die Unerwünschte aus der Spezies Mensch hinaus zu definieren, gerade dieser Hintergrund ist ein wesentliches Motiv gewesen, solchen Ansatz gleich in der Präambel (!) der „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ zu ächten:

„Da die Anerkennung der angeborenen Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bildet, ...“ (Quelle)

Menschsein und die damit verbundene Würde verstehen wir als angeboren und unveräußerlich. Das schließt Verbrecher, Täter aller Art mit ein. Es kann und darf ihnen das Menschsein nicht abgesprochen werden. Diese kulturelle Errungenschaft ist manchen Menschen schwer verständlich. Wodurch sie, die Errungenschaft, aber nicht suspendiert werden kann. Was im die Erklärung abschließenden Artikel 30 festgestellt ist:

„Keine Bestimmung dieser Erklärung darf dahin ausgelegt werden, daß sie für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person irgendein Recht begründet, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung zu begehen, welche die Beseitigung der in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten zum Ziel hat.“ (Quelle)

[Balkan-Reflex]

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