8. März 2005

Heute, mit Verlaub, ein Kulturpolitik-Schwerpunkt über die ganze Seite. Damit deutlich wird, was ich darlegen möchte. Verwaltung des Zufalls? Ermöglichen, was es vorher noch nicht gab? Sehen wir nach. Hier nochmal die aktuellen Kulturschwerpunkte der regierenden ÖVP, wie ich sie am 1. März zitiert hab:

1) Absicherung der Stadt als überregionaler Tourneeschauplatz
2) Unterstützung von Nischen- und Zielgruppenproduktionen durch das Kulturreferat
3) Modernisierung des Kulturkellers in der Weizerstraße
4) Planung und Errichtung einer Multifunktionshalle für kulturelle Großveranstaltungen
5) Schaffung eines Probelokals für Stadtkapelle, Chorforum und Musik- und Theatergruppen

Aus meiner Sicht MUSS ich natürlich fragen, warum eine Kulturpolitik vollkommen abreißt, die außergewöhnliche Ergebnisse hervorbrachte, während Mainstream im "forum KLOSTER" und Hobbykunst im Nebenfach übrig blieben. Denn die Option "Nischen- und Zielgruppenproduktionen" geht ja hinter das zurück, was schon DA WAR.

(Das ist nicht bloß ein "Kleinstadtphänomen", es läßt sich gegenwärtig auch an Graz und anderen Orten zeigen. Aber ich zeig es nun an der Stadt, die ich gut kenne, weil ich da lebe.)

Cut!

Kulturpolitik sollte längerfristige Entwicklungen bewirken. Stichwort: Nachhaltigkeit. Alle, die Budgets abholen, reden davon, kaum jemand setzt es um. Wie stellt man es an, kulturelle Investitionen fulminant zu versenken? In dem man zum Beispiel bemerkenswerte Kontinuitäten einfach abbrechen läßt. Ich geb Ihnen ein Beispiel.

Dieter Pochlatko ist fraglos ein Grandseigneur des österreichischen Filmgeschehens. In der "Kleinen Zeitung" vom 4. März war notiert, daß er den "Cine-Styria-Filmpreis" erhält. Und daß seine jüngste Produktion in Biarriz (beim wichtigsten TV-Filmfestival) Furore gemacht habe. Im gleichen Artikel wird "Die Grazer Studentin der Wiener Filmakademie Maria Kreutzer" erwähnt:

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Was die Gleisdorferin Marie Kreutzer meint, die natürlich nach Wien gehen mußte, um sich dem Thema Film zu widmen. Aber in Gleisdorf hat sie sich selbst irgendwann mal in künstlerischen Bereichen erprobt. Mein Archiv besagt: Zum Beispiel am 28. März 1992, da die Kulturzeitung "Absolut" zum vierten Mal präsentiert wurde:

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Das ist nicht nur interessant, weil Marie Kreutzer (Mitte) schon einige Filmarbeiten gezeigt hat. Herausgeber dieser Kulturzeitung war der Gleisdorfer Ekke Wolf:

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Der mußte natürlich auch nach Wien gehen, um als freier Verlagslektor und leidenschaftlicher Typograph zu reüssieren. Aber die Kulturpolitik der Stadt Gleisdorf hätte für irgend eine Art der Kontinuität sorgen können, die es solchen Menschen nahelegt, sich der Stadt noch verbunden fühlen zu WOLLEN. Wofür man freilich irgend einen guten GRUND haben müßte.

Damals war noch ein interessanter Bursche mit auf dem Set, der heute, wie ihm international bestätigt wird, einer der besten Autoren seiner Generation ist, die Österreich aufzubieten hat. Doch er wird in den Medien notorisch als Grazer vorgeführt, hat also offenbar keine Gründe, nach Gleisdorf zu blicken. In der ersten Ausgabe von "Absolut" findet man unter anderem:

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Thomas Glavinic hatte einige Zeit davor seine erste Publikation überhaupt in einer anderen Kulturzeitschrift der Gegend, von welcher Wolf wesentliche Anregungen für "Absolut" bezogen hatte: "SO, die anderen seiten".

Darin erschien 1990 nicht nur eine zweiteilige Glavinic-Erzählung. Es gab gerade eine erste größere Buchpublikation der "SO-Edition". Dieser folgte der erste Prosaband von Andrea Sailer:

"Am Rande-Außenseitergeschichten", SO-Die Edition (Gleisdorf), 1991

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Sailer hat es inzwischen ja zu einem deutlichen Renommee im Lande gebracht. Hinzu kommt: Vorige Woche, so habe ich gelesen, traten Josef Haslinger und Bertl Mütter gemeinsam im Wiener Radiokulturhaus auf. Was also 1989 in Gleisdorf begann, hat immer noch Bestand. (Samstag, 5. März 2005, 22.05 Uhr, Radio Österreich 1, parlando - posaunenplaudereien [ppp] Josef Haslinger und Bertl Mütter im Gespräch)

In dieser Stadt war demnach einiges entstanden, was über die Hobby-Liga weit hinausgeht,  was im Feuilleton standhält. Und heute?

"1) Absicherung der Stadt als überregionaler Tourneeschauplatz"

Das ist keine kulturpolitishe Maßnahme, sondern eine Maßnahme, um große Infrastruktur zu vermarkten. Schön fürs Publikum, gut für die Stadtkasse, das wars ...

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