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• Michael Roloff / Besuch auf dem Moenchsberg #3

Verhöhnend: wer verhöhnt sein eigenes Verhöhnen nicht besser als Handke selbst es in Über die Dörfer tut? "tinny derision" was irgendwie mit dem Pathos zusammenhaengt, der Kaspar enthält auch viel davon...dass er selbst überhaupt nicht verträgt, diesen Ton, wenn er ihm mal ausgesetzt ist lag uns noch ungefähr sechs Jahre in dem Zukunftsvoraus. .

 Und ob er die Gründe fuer diese automatische emotionale Gestik irgendwie versteht?

Ich sagte aus irgendeinem anderen nirgendwo: Man muss ja alles selbst schaffen; und meinte damit den Verlag.

Und er so etwas wie: Die Dichter müssen aber Zeit zum traeumen haben. Oder vielleicht: Die Welt wieder zusammenzutrauemen. Dagegen hatte ich nichts einzuwenden.

Jeder ging auf seine Art Grandiositaet zu Grunde.

 Dann lud er mich zu einem Schoppen ein und wunderte sich ungeheurlich darüber, dass ich im Schneidersitz auf der Bank sass, als ob das etwas ungeheuerlich ungewöhnliches wäre, was bei mir nicht der Fall ist, trotzdem ich an diesem siegesreichen Tag ["Trunkheld."] schon etwas lockerer als sonst war - das Trunkheld sein hatte sicherlich mit den mir in Wien verschriebenen Magenpillen zu tun; Bulgarische Schwarzmeer Energie - tief eingeatmet in Plodviev [wo angeblich 10,000 Jahre Macedonisches und Thrakisches oder irgendwelches exotisches Blut in die Bulgarische Adern floss! So hieß das schon damals in 1980!] - strömte aus mir heraus; ja wenn dass wirklich der Fall ist würde ich mir schon gern davon eine tägliche Transfusion geben lassen.

Dann gings bergauf und zum Tarok spielen; und es freut mich zu berichten, dass Herr Handke unter mehr als vier Augen beim Tarok leicht auszuspielen ist, dass die Leute die mit uns spielten, diese anderen angeblich Grossen Tiere, auf ihre Weise alle hoechst gescheit waren, und dass wenn Handke im Felsfenster schreibt er hätte während seiner Jahre in Salzburg keinen einzigen intelligent Menschen da getroffen, es vielleicht auf die Schrifstellerei, aber auf nichts sonst zutrifft; was dann ja zu  Wanderungen des Verwundeten durch Salzburg fette Mitte den Stadträndern zu und an blanken Trauemen sich selbst-heilenden Buechern wie Chinese des Schmerzen und Der Nachmittag eines Schriftsteller fuehrt [beides, besonders das zweite, wunderbare Bücher]; und dass Herr Handke wahrlich nicht richtig verspielt sein kann, und jedes verlieren - wie er's ja in Über die Dörfer zugibt - von ganz früh an nicht vertragen hat. Kein Wunder dass er's so hasst wenn's scheint, dass sich ein anderer breitmacht! Ich selbst gewann nur vollkommen verspielt, ohne geringste Anstrengung - und nicht nur in diesem Fall, sowie ich mich anstrengte hatte ich schon verloren. [Mein, im allgemeinen, viel ambivalenter ausgestatteter Oedipus Komplex wie ich dann erfuhr.]

Bevor es aber zum eigentlichen Spiel in dieser Bischöflichen Umgebung kam erzählte   Handke in seinem patentierten hoehnischen Tonfall, dass er sich da umgesehen habe ob es noch eine Kopie von dem Buch von früher, gemeint war die Kaspar and Other Plays Übersetzung, herumliege, er aber keins finden konnte. Eigentlich handelte es sich ja nicht um ein Buch, sondern derer fuenf, und insgesamt so um die dutzend Stücke, auch ein Roman, und die zwei Gedichtbaende - ich spüre ein damals weit unterdrueckteres Outrage au Handke jetzt nach, so leicht fiel diese Arbeit mir doch nicht, ein wenig Anerkennung ging

bei mir schon sehr weit, wahrscheinlich war's mir schwerer gefallen als die Original Arbeit, und es ist anzunehmen, dass mich das dann als er mich von sich weg zu dem Dermatologen setzte    schon schön zum siegerischen Spiel angestachelt hat [und noch was, dass wohl im tiefsten Hintergrund lag].   

Ja, es fing damit an, dass er mich neben sich setzte und mir - der Skat seit Kind auf von dem Großvater gelernt, der Bridge, Poker und noch so eine paar andere Sachen kann - brav das Spiel mit seinen vielen Jokern erklärte. Ich lernte es wahrhaft im Handumdrehen, aber als ich ihm wahrscheinlich zu Energie sprühend war, setzte er mich neben einen Dermatologen, und der Dermatologe sagte ganz erstaunt: Ja, so geht's auch! und wir droschen schön weiter - dass das Handke irgendwie ärgern konnte, dieses absolut ihn übergehende unhöfliche Benehmen seines Gastes, kam mir zur Zeit überhaupt nicht in den Sinn, taucht mir erst jetzt aus der Tiefe meines Unterbewussten als haarsträubende Möglichkeit auf!

Irgendwann kam es auch zu einem vorverhandelten Anruf von Unseld, es muss ein Sonntag gewesen sein. Dieser Sonntag Abend wahr wahrscheinlich auch die Zeit die Handke sich eingerichtet hatte eben mal nicht allein sondern in Gesellschaft zu verbringen. Unselds Sonntags Anruf; er war eher wie ein Geschaefts Gespraech; und ich fragte den Dr. Dr. auch etwas Geschäftliches, da ich nach vier Wochen Bulgarien etwas in Vaduz vorhatte. Aber Unseld tat sich unüberzeugend unwissend und war nicht behilflich.

Im nu hatte ich eine dritte oder wars vierte oder fünfte Dimension ins Spiel gebracht, und der Handke verstand leider nicht diesen Spass. An diesem Abend jedenfalls war ich auf keine Weise bereit einer von diesen statischen Kartenspielern in dieser Cezanne Szene zu sein. Diese Szene wird auch nicht als mögliche Verspieltheit im Chinesen des Schmerzens erwähnt, wo das Tarok Spiel mir ein bisschen mystifiziert vorkommt, eine Qualitaet - der Koans - die er mir dann spaeter sehr geraten hat bei der Übersetzung von Über die Dörfer zu vermeiden. - Hie und dann huschten Hausfrau und Tochter dazu und bedienten die spielenden Herren [Ich konnte die Bemerkung "Sie spielen Karten" mir im Hintergrund gesprochen vorstellen] und machte Handke auf das mir, der bedient aufgewachsen bin, unangenehm bedienende der Frauen aufmerksam. - Dieser Abend mag wohl dann irgendwie verärgert in einem der Tagebücher erwähnt werden.

 

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[Michael Roloff]


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29•06