MKL Journal #24 | 11. Mai 2009[übersicht]
Ich habe im vorigen
Eintrag erwähnt, wie sehr es mich erstaunt, daß selbst sehr ausgeschlafene Leute in
meiner Umgebung längst völlig bedenkenlos in allerlei bunte Web 2-Bindungen
hineinlaufen, wo die Nutzungsrechte für Content im großen Bogen an die maßgeblichen
Companies fallen. Zack! Weg! Kein Einfluß mehr darauf, was die dort dann mit dem Stoff
machen. (Das Mindeste: Verwertung der Informationen über das online-Verhalten für die
Wirtschaft etc.)
Also bestaune ich auf der anderen Seite, daß
jemand wie Winfried Ritsch über Know how und Erfahrung verfügt, andere technische
Lösungen zu bauen, die solchen Mainstream- Merkwürdigkeiten mindestens gegenüber
stehen. So geht dann nämlich wieder eine WAHL-Möglichkeit auf.
Im Sinne von: Ich habe nicht nur die Wahl
unter Providers, die mir "Knebelverträge" aufnötigen, Nutzungsbedingungen, bei
denen ich den Großteil meiner Rechte ablegen muß.
Ich kann auch beispielsweise Videos auf einen
Server laden, wo mir meine Nutzungsrechte zur Gänze erhalten bleiben und wo ich den Stoff
auch wieder zurückziehen kann, falls mir danach ist. Das ist mindestens für
Kunstschaffende ein höchst relevanter Aspekt der aktuellen Mediensituation, sollte
vermutlich auch dem werten Publikum nicht völlig egal sein.
Diese Sessions im Rahmen des "Lendwirbel" machen deutlich,
welches Gewicht darauf gelegt ist, daß Kunstschaffende AUCH über erhebliche technische
Fertigkeiten verfügen, die in diesem Fall ein riesiges "Terrain", ein höchst
komplexes System von Systemen betrifft ... eben das Web UND jene Instanzen, die bei dieser
die Welt umspannenden Infrastruktur vorherrschende Rollen anstreben, besetzen.
"Blender"-Exponent Dorian
Santner (links) und "mur.at"-Präsident Gernot Tuttner
Genau das war auch angeklungen, als
kürzlich Heidi Grundmann, eine Schlüsselperson der österreichischen Radiokunst, im
"MKL" das Buch Titel "Re-Inventing Radio" (Aspects of Radio
as Art) vorgestellt hat; Seite an Seite mit Aktiven dieser Entwicklung. (Siehe dazu Eintrag #21 und Eintrag
#22!) Welchen Einfluß kann man nehmen, wo in Mediensituationen Quasi- und De
facto-Monopole wirken, wo Vermarktungs-Interessen von großen Companies mit noch
größerer Wucht durchgesetzt werden?
Winfried Ritsch (links) und Martin
Schitter
Was ist an technischem Know how unverzichtbar,
um Nebenwege und Gegenpositionen bereiten zu können? Handwerk. Forschen. Experimentieren.
Das ist nicht die Kunst. (Der Keilrahmen und die Leinwand sind auch nicht die
Kunst. Aber wo wollte man das Gemälde hinschaffen?) Es müssen also auch die
Bedingungen der Kunst bearbeitet werden.
Rechts neben Winfried Ritsch:
Michael Haubenwallner
Und zwischen den Debatten, den hunderten
Handgriffen, raus in die Umgebung. Das lebhafte Viertel, eine Comic-Crew auf einer
Musik-Bühne, Curry, Chilli, kein Freibier ... Es ist schon so, daß unser Lebensraum in
einer Detailtreue scanbar, beobachtbar, dokumentierbar geworden ist, das hat sehr
beunruhigende Seiten. Was mich etwas beruhigt: Daß ich hier Leute treffe, die können mir
bei Bedarf sehr genau darlegen, wie das alles funktioniert.
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