MKL Journal #21 | 30. April 2009[übersicht]
Radiokunst ... dürfte unter anderem folgende
Bedingung haben: Radio. Was wohl nicht den einzelnen Radioapparat meint, sondern
ein "System Radio". Broadcasting. Also Kommunikationskanäle, Raum
eingeschlossen, technische Equipments, kühne Querverbindungen etc. etc.
Radiokunst. Es ist nicht gar so lange her, da
war das keineswegs ein eingeführter Begriff. Unter jenen, die das "seinerzeit"
schon beschäftigt hat, war eine Frau sehr exponiert: Heidi Grundmann.
Und, welch ein Vorteil, sie war Mitarbeiterin
des ORF. Denn "seinerzeit" bestand noch ein Rundfunkmonopol. Wer also in
Österreich unabhängig vom ORF Radio machen wollte, befand sich gewöhnlich in einem
Piraten-Status und konnte flott verknackt werden.
Außerdem waren PCs und der ganze preiswerte
EDV-Kram noch nicht verfügbar. Geeignete Hardware in die Hände zu bekommen, das hatte
allerhand Hürden. Schwierig-schwierig. Reizvoll. Fordernd.
Monopol. Das ist zwar längst gefallen. Aber
unsere Hörgewohnheiten sind deshalb nicht unbedingt von günstigeren Bedingungen umgeben.
Wo doch auf billige Art heute fast alles "Radio" sein möchte. Ein Mobiltelefon
kann nicht einfach klingeln oder summen, um eingehende Nachrichten oder ankommenden
Anruferinnen zu avisieren, die Dinger machen gleich Musikprogramm aus so marginalem
Anlaß. (Setz dich in einen neuen 7er BMW. Da staunst du, was dieses Auto dir unterwegs
für ein Programm vorspielt, dabei möchtest du doch bloß fahren ...)
Medientheoretiker (und -praktiker!) Reinhard
Braun hat es an diesem Abend angerissen. Es will da draußen nicht Stille sein. Autobusse,
Lifte, Kaufhäuser, Cafés, Gasthäuser, ganze Straßenzüge werden permanent bespielt ...
aber ich weiche ab. Dieser Abend war der Abend, an dem Heidi Grundmann, Elisabeth
Zimmermann ("kunstradio"
in Wien), Reinhard Braun und Winfried Ritsch sich auf den komfortablen weißen Sofas
zurechtrückten, um ein Buch vorzustellen.
Unter dem Titel "Re-Inventing Radio" (Aspects of Radio as Art)
ist bei "Revolver"
in Frankfurt am Main eine opulente Anthologie erschienen. Herausgegeben von Heidi
Grundmann, Elisabeth Zimmermann, Reinhard Braun, Dieter Daniels, Andreas Hirsch und Anne
Thurmann-Jajes. Da heißt es etwa:
>>Während einmal mehr der Tod
des Radios als Massenmedium vorausgesagt wird, zeigen aktuelle Entwicklungen der
Übertragungstechnik, was lange bekannt war: beim Radio geht es nicht um die Übertragung
von Sound sondern von Signalen. Nach mehr als einem Jahrhundert der Erneuerung, Aneignung
und Veränderung wird das Radio heute in grossem Stil von neuem erfunden, um zu werden,
was es immer schon war: ein Kommunikationsraum im weitest möglichen Sinn.<<
Kommunikationsraum. Und die
Kunst? Genau! Also etwa intensive Verbindungen zur Malerei, zur bildenden Kunst. (Auch
Tanz?) Oder! Weil Gottfried Bechtold gerade mehrfach im Gespräch ist, da er schon wieder
neue Arten entwickelt hat, Porsches in Beton zu gießen: Ich war recht überrascht, ihn an
diesem Abend erwähnt zu hören, als Grundmann von der Geschichte des Genres erzählte und
wie sich das in Österreich, aber auch in anderen Ländern zugetragen hat. Radiokunst.
Das hatte zum Teil recht verblüffende Setups
erbracht. Das führte zu unüblichen Allianzen. Wenn sich plötzlich ein Tontechniker des
staatlichen Rundfunks für die Sache engagierte, weil ihm die Begegnungen und Erfahrungen
mit Kunstschaffenden auf diesem Gebiet offenbar Nachhaltige Anregungen verschafft hat.
Und wie war das mit dem "RP4"?
Regieplatz. Richtig? Naja, ich war bei solchen Dingen nur Zaungast. Aber ich hab jetzt 45
Minuten Video von diesem Abend in der Tasche. Spannende Geschichten ... Übrigens! Wie
archiviert man all das in angemessener Form? Da werden noch viele Leute ins Grübeln
kommen.
[übersicht]
home | martin krusche |