kunst O.ST: labor (details #2) IV Ein paar Takte Reflexion
Von Martin Krusche
Diese Konferenz hatte für mich etwas sehr Puristisches. Es
wurden mir dort hauptsächlich die so unterschiedliche Positionen (quer durch die
Steiermark) deutlich, welche äußerst klar und ungeschminkt zum Ausdruck kamen.
Vielfältige Bedingungen, Vorgaben,
Intentionen und Zugänge. Was also sehr kontrastreich gewachsen ist, in dieser oder jener
Form besteht, dabei von extrem unterschiedlichen Personen getragen, auch promotet wird,
würde im Fall von Verteilungskämpfen ein heftiges "Schlachtfeld" ergeben.
(Anklänge dazu waren zu hören.)
Falls jemand wünschte, dieses Konzert
kontrastierender Stimmen zu ordnen und unter einen gemeinsamen Modus zu stellen, wäre mir
nichts anderes als das Scheitern vorstellbar.
Aber WAS nun? Manche der Wortmeldungen hatten
für meine Ohren das Zeug, einen Verteilunsgkampf zu eröffnen, der natürlich nicht so
benannt wird. Andere waren mir darin angenehm, daß sie von Wißbegier und Tatendrang
erzählten, begründet auf interessante Erfahrungen vielfältiger Praxis.
Vorläufig scheint mir klar:
Traditionelles hat gewisse Standortvorteile. Dabei möchte ich aber nicht übersehen, was
mir an konkreter kultureller Kompetenz bei Leuten aufgefallen ist, die ich vordergründig
gar nicht "meinem Lager", besser "meinem Milieu" zurechnen würde.
Wir kann genau darin Verständigung
gelingen?
Und woher die dafür nötigen Ressourcen nehmen?
Noch etwas liegt uner dem Teppich.
Problematisch wäre für mich ein Steckenbleiben in der Position: "Meine
wertvollen Intentionen müssen in ihrer Umsetzung endlich angemessen finanziert werden,
ich mache hier gerne einige Vorschläge, welche Projekte dafür ersatzlos gestrichen
werden können."
Sowas hielte ich für den Ausdruck sehr
konventioneller, in die Vergangenheit gerichteter Politik, wie sie ja manche
Kulturschaffende duch ihr Auftreten durchaus betonen. Das ist für mich ein besonders
interessanter Punkt. (Stichworte: Verdrängungswettbewerb oder neue Paradigmen?)
Sind wir genau in diesem Aspekt zu einer
"Praxis des Kontrastes" fähig?
Vor allem auch in der Anforderung, unsere
Positionen und Ansprüche gegenüber einem Landeszentrum zu behaupten, das ja nach wie vor
mehr Mittel und Möglichkeiten zur Verfügung hat als jede andere Zone der
Steiermark.
Ich betone diesen Begriff "Zone".
Sprachregelungen. Unsere altgewohnten Vorstellungen sind nach wie vor von veralteten
Motiven geprägt. Die mittelalterliche Stadt und das Denkmuster "Zentrum --
Provinz" haben immer noch mehr Einfluß auf bestehende Vorstellungen, als
eine beliebige Position auf der Höhe der Zeit eigentlich zuläßt.
Läßt sich daran arbeiten, ohne dabei das
antiquierte Modell von "Lagerbildung & Lagerbindung" mit folglicher
Lagerabgrenzung zu rekonstruieren.
In diese "Mottenkiste der
Stereotypen" gehören übrigens auch der "grantelnde Künstler"
oder das "verkannte Genie"; soziale Randfiguren aus dem bürgerlichen
Kulturleben des 19. Jahrhunderts; heute -- im 21. Jahrhundert -- mehr als obsolet.
Kleiner Einschub:
Ich war ganz gerührt, daß ein offensichtlich gut situierter Herr mir altgedientem
Freelancer im Bereich nicht gerade markttauglicher Kunstformen eine kommende Studie über
die soziale Situation der Künstler in Österreich empfahl. Ich möchte sagen:
Der Stand der Dinge ist mir aus ganz persönlicher Anschauung gut vertraut. Und die Studie
ist sowieso schon lange in einer Lade der Frau Minister verwahrt, kursiert aber mindestens
seit November 2008. (Siehe dazu auch Log # 116 bei
"next code" und dessen Querverbindungen; Tenor: "Kurz und schmerzlos
ausgedrückt: Die Branche ist ökonomisch im Eck.")
Wir haben in den letzten 30 Jahren so
allerhand an Protestaktionen, Podiumsdiskussionen und ähnliche Formen des Einwandes gegen
den Status quo erprobt. Das Sudern und Jammern hat sich dabei nicht gerde als
wirkungsvolle Maßnahme erwiesen. Bei einschlägigen Podiumsdiskussionen in Graz
produzieren sich oft die stets gleichen Personen mit stets gleichen Aussagen. (Fad!)
Ich setze heute lieber auf das "Prinzip
Augenhöhe". Das bedeutet, Leute wie ich gehen daran, den Anspruch auf
Definitionskompetenz und Definitionsmacht praktisch zusammenzuführen und damit den
Funktionstragenden der anderen Sektoren gegenüber zu treten. Was das momentan kultur- und
regionalpolitisch bedeuten mag, habe ich im Eintrag #122 bei
"next code" skizziert.
Dazu gehört aber -- neben der eigenen
"Professionalisierung" -- sicher auch ein konsequentes Arbeiten an unserer
gemeinsamen Kommunikationssituation. Die Konferenz in Deutschlandsberg hat in
einigen Beispielen gezeigt, daß über etliche grundlegenden Begriffe unseres Feldes kein
Konsens besteht, daß überdies greifbare Auffassungsunterschiede weitgehen unklar
bleiben.
Polemisch verkürzt: Wir sind uns gernerell
keineswegs auch nur annähernd einig, worüber wir reden, wenn wir über unsere Branche
reden.
Hinzu kommt:
Schon vor der akuten Weltwirtschaftskrise war klar, daß die Kommunen ganz
allgemein in Richtung Kooperation gehen müssen, um ihre Agenda zu bewältigen, was vielen
Funktionstragenen der Gemeinden eher schwer fällt.
Inzwischen ist diese Anforderung wohl noch
unerbittlicher geworden. Ich vermute, es gibt unter uns nicht sehr viele Möglichkeiten,
sich diesem Anforderungsdruck zu entziehen. Eine lautet sicher: Enorm marktfähig sein.
Eine andere wäre: Reiche Eltern haben, die bereit sind, einen durchzufüttern.
Wer sich nicht auf solche Annehmlichkeiten
stützen kann, wird vermutlich in naher Zukunft öfter ins Grübeln kommen, sobald die
Themen Team- und Paktfähigkeit zur Sprache kommen. Die gängige Legendenbildung
um einzelkämpferische Charaktere, die sich als "Helden" in das Rad der
Geschichte werfen, sind inzwischen etwas ranzige Pausennümmerchen ...
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