kunst O.ST: zur debatte gestellt (notizen #2)

Manchmal erregen Spam-Mails, unerwünschte Werbesendungen, durch den Betreff-Inhalt mein Interesse. Ich staune, auf welchem Niveau Menschen über den Tisch gezogen werden können. Hier ein Beispiel, das sogar jenes "Basis-Kriterium" auszuhebeln vermag, welches ich meinem Sohn schon vermitteln konnte, als er noch ein kleines Kind gewesen ist:

"Warum sollte jemand, der dich gar nicht kennt, dir etwas schenken?"

Hier wird allerdings nichts verschenkt. Und: Ganz reizend! In der Betreff-Zeile erfahre ich:
"Du stirbst." Auf der genannten Website geht dann das los, was mit einem schönen, antiquierten Begriff als "Roßtäuscherei" bezeichnet werden könnte.

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Der Inhalt jener Mail verkündet: "Musst Du bald sterben? Was sagt dein Schicksal?" Die Website dahinter fragt bei mir all jene persönlichen Daten ab, mit denen sich gute Geschäfte machen lassen. Ich sollte diese Daten in eine Eingabemaske tippen.

Es kommt noch besser. Für die Zumutung meine "Kundendaten" abzuzocken würde mir diese Truppe auch noch eine Rechnung über 92 Euro zuschicken:

>>Um Missbrauch und wissentliche Falscheingaben zu vermeiden, wird Ihre IP-Adresse bei der Teilnahme gespeichert. Anhand dieser Adresse sind Sie über Ihren Provider zweifelsfrei und gerichtsfest identifizierbar. Durch einen Klick auf den den Button "Test starten" beauftragen Sie xxxxx, einen Online-Schicksalstest durchzuführen. Dafür werden einmalig 92 Euro berechnet.<<

Das ist von besonderer Kühnheit, mir einen Online-Schicksalstest anzubieten. Sehr amüsant ist der gängige Versuch "Wissenschaftlichkeit" zu behaupten, die eine "höhere Legitimation" unterstellt.

Also: Leute in weißen Kitteln. Die Dame im oben gezeigten Banner trägt ein Stethoskop um den Nacken gewickelt. Was braucht es eine Medizinerin für Fragen meines Schicksales?

"Anhand statistischer Daten getestet" finde ich sehr lustig. Sowas wird gerne eingesetzt.

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Ich erinnere mich an einen Fernseh-Spot für eine Art verdauungsförderndes Joghurt, bei dem betont wurde, die Studie XY sei beim zuständigen Ministerium EINGEREICHT worden. Was für ein Schmonzes!

Derlei Werbebotschaften deute ich nun keinesfalls im Sinne von "so blöd" seien also "die Menschen". Sie geben vielmehr Aufschluß über die fatale Wirkung von Autoritäts- Konzepten, mit denen vor allem jene Menschen eingeschüchtert werden, die sich dieser oder jener Sache nicht sicher sind.

Vielleicht muß einfach zur Kenntnis genommen und akzeptiert werden, daß einerseits Aufklärung, um der Menschen Unmündigkeit aufzuheben, andrerseits das Verfolgen individueller Geschäftsinteressen quasi Gegenpositionen sind.

Ich glaube das freilich nicht, weil eine bipolar geordnete Welt mir zu schmal wäre.

Die Begegnungen und Debatten rund um mehrere "round tables", zu denen von der "Solidarregion" geladen wurden, illustrieren mehr als deutlich, daß es hier markante und erfolgreiche Geschäftsleute gibt, die auch nichts davon halten, auf Kosten anderer Menschen ihren Profit zu maximieren. Es geht also darum, anderer Konzepte zu vertreten, die vom Bedürfnis handeln, zwischen Eigennutz und Gemeinwohl eine akzeptable Balance herzustellen.

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Ich denke, etwas in der Art ist unter anderem gemeint, wenn Theologe Fery Berger sich eben für einen "Weg der Hoffnung" (Spirituelle Initiative für einen Wandel unserer Gesellschaft) engagiert. Bemerkenswert, daß er dazu auch zwei "praktizierende Heiden" wie den Künstler Walter Kratner und mich einlädt.

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Aber auch umgekehrt betrachtet: Mir fällt auf, daß ich weder in meinem vertrauten Milieu, unter Kunstschaffenden, noch auf anderen Feldern wie etwa der regionalen Politik, aktuelle Ansätze finde, kollektive Debatten zu führen und Handlungspläne zu entwickeln, wie denn nun auf die Summe aktueller Krisen zu reagieren sei. Da sollte uns wohl etwas mehr einfallen.

Berger arbeitet also nun an der Konsolidierung von "Dialog und Aktionsforen", allerdings nicht bloß auf die "Energie-Region" bezogen, sondern österreichweit. Ferner findet in wenigen Tagen eine erste Kulturkonferenz statt, zu der sich Aktive aus der ganzen Steiermark einfinden werden, um in Gleisdorf soziokulturelle Arbeitsvorhaben zu besprechen. [link]

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Bei jüngsten Plenartreffen von "kunst O.ST" hatten wir Jogi Hofmüller zu Gast, der den steirischen Netzkultur-Knoten "mur.at" repräsentiert. Das war der Auftakt für eine Reihe von Arbeitsschritten, die für das kulturelle Engagement abseits des Landeszentrums einigen Gewinn bringen sollen.

Denn Telekommunikation, Teleworking, Telepräsenz bieten viele Möglichkeiten, übliche Standortnachteile der sogenannten "Provinz" zu kompensieren. Das verlangt zwar etwas mehr Ideen als bloß "I hob a Homepage" zu praktizieren, aber die Kompetenzen dafür sind eigentlich leicht erwerbbar. (Siehe dazu auch next code: log #114!)

Informationsfluß, Know how-Transfer, Erfahrungsaustausch ... allein durch die Bündelung mancher Kompetenzen läßt sich vieles ausgleichen, was durch strukturelle und finanzielle Einbrüche heute fehlen mag. (Eine kleine Zusammenfassung aktueller Schwerpunkte in der Region ist unter next code: log #115 zu finden.)

Martin Krusche


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5•09