martin krusches [flame] logbuch / blatt #96


Leiblichkeit und Weiblichkeit: Die mechanische Braut

Männer, Maschinen, Frauen. Der Kontext ist evident, das muß ich mit niemandem verhandeln. Die Zusammenhänge wären es auch, aber darüber schweigen wir meist. In der Geschichte des Automobildesigns kann man verschiedene Linien verfolgen. Ich finde zum Beispiel jene interessant, die von der Architektur zum weiblichen Leib führt, vom griechischen Tempel (Rolls Royce-Front) zu fast schon obszönen Alfa Romeos.

Gerade im Umfeld der Maschinenverliebtheit, am Händchen der „mechanischen Braut", bemäntelt sich Frauenverachtung gerne als Frauenverehrung. Solche Verwindungen sind nötig, wo man eigentlich verachtet, was man begehrt, nämlich die lebendige Frau.

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"Vergewaltige mich"

Um das zu lösen, wird sie in eine eigentümliche Wechselbeziehung mit der Maschine verwoben, sich wechselseitig erotisch aufzuladen. Ein ziemlich schlauer Dreh. Was dahinter steht, hat sehr problematische Wurzeln.

Warum das für unser Projekt „FiatLux" von Belang ist? Weil dieses Projekt auf eine Schwelle gestellt ist, da eine Ära in eine andere übergeht. Man könnte sagen, „Automobil 20" ist der Generalfetisch, die Macho-Maschine, das soziale und kulturelle Statement, in das sich die Tyrannis eingeschrieben hat.

Was immer „Automobil 21" sein wird, es wird nicht mehr diese Art von Maschine sein können, wie es sich ja allein im Aussehen der ersten Vorboten abzeichnet. So zeigt etwa unter den Google Driverless Cars keines eine Körperlichkeit, die fortschreiben könnte, was ich hier skizziere. Weder dar modifizierte Prius, noch das autonome Ei scheint sich dafür zu eignen.

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Der HUMMVEE zeigt schmucklos blanke Zähne

Zurück zur Kerl-Nummer. Bernd Nitzschke (Männerängste, Männerwünsche) macht männliche Maschinenverliebtheit in seiner Faschismustheorie dingfest. Das Konzept zeigte sich vom soldatischen Mann über den Landser im Felde bis zum zivilen Krieger anwendbar: „Das zum Ideal erhobene männliche Prinzip der heroischen Einsamkeit, der festen Grenzen, hinter denen sich das Individuum verbarrikadiert", ist seither vielfach variiert und zum Beispiel über Hollywood-Produktionen omnipräsent.

Dieser Typus des gegängelten Helden, der sich heute wenigstens über seine Karre als Individualist in der Herde aufspielen kann, soll demnächst abtreten? Nitzschke skizziert den Mechanismus: „In den Männerkörper werden Besitzansprüche der Herrschenden eingebrannt -- das gilt auch dann, wenn die Gebrandmarkten ihre Unterwerfung als einen sinnvollen und selbst erwünschten Vorgang aufzufassen genötigt sind."

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Was am Reichsadler noch fehlt, muß niemandem erklöärt werden

Das kraftvolle Automobil, unser Generalfetisch, die bedeutende Freiheitsmaschine, in Wahrheit ein Herrschaftsinstrument? (Hitler hatte dieses Konzept gemeinsam mit Ferdinand Porsche schon in die Geschichtsbücher eingetragen.)

Nitzschke bietet mir Gelegenheit, mit einem einzelnen Satz zum Kontext Frau überzugehen: „Der soldatische Mann nähert sich der Frau in einer Mischung aus Angst, Mystifizierung, Verklärung, Herabsetzung und Gewalttätigkeit." Man kann heute etwa bei einschlägigen Auto- und Motorrad-Fangruppen auf Facebook leicht überprüfen, wie sehr diese Zuschreibung aktuell zutrifft.

Matthias Bickenbach und Michael Stolzke (Die Geschwindigkeitsfabrik. Eine fragmentarische Geschichte des Autounfalls) beschrieben im Kapitel „Liebe zum Objekt: Erotik, negative Lust und Obszönität" einigermaßen unmißverständlich „Das Automobil als erotisches Objekt". Dies sei „ein Ort vieler Anziehungskräfte beider Geschlechter und zwischen ihnen. Es betrifft nicht nur die klassische Konstellation von Mann und automobiler Geliebten."

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Männerphantasien: "Bestrafen und versklaven"

Die „mechanische Braut" zeigt sich reizvoll: „Nicht nur die äußere Form ist Analogon von Mensch und Maschine, sondern ein Steigerungsverhältnis. Frauen und Autos steigern sich gegenseitig. […] Ein weiterer Kreislauf der Geschwindigkeit, mit dem das Interesse am Objekt wächst."

Selbst interessierte Laien werden vielleicht noch nicht beachtet haben, in welchem Maß sich dieses erotische Verhältnis sogar ganz unverblümt manifestiert, wonach so mancher historische Autokühler heute im Alltag mit Tüchern bedeckt werden würde, sollte sich das herumsprechen.

Haben Sie schon einmal von den „Kühlernieren" reden gehört? Klassik-Liebhaber wissen, daß damit die Marke BMW assoziiert wird. In der Ära nach dem „Barockengel" der Nachkriegszeit, dem BMW 501/502, würde einem dabei nichts auffallen. Aber schauen Sie sich einmal den populären Mille Miglia-Rennwagen an, den BMW 328.

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BMW 328: Ein Schelm, wer hier bloß "Nieren" sieht

Joachim Petsch erwähnt diese Gestaltungsform am Beispiel des Vorläufermodells in seiner „Geschichte des Auto-Design": „…die BMW-‚Kühlerniere’ taucht erstmalig beim Typ 326, einem Sportwagen, auf. […] Form und Firmenzeichen sollen den Käufer an eine bestimmte Marke binden."

Nieren? Nur ein Agent der Blödheit kann die von schwellenden Schenkeln flankierte Vulva übersehen und Schamlippen derart verwechseln...

Siehe dazu auch:
+) Seite 2: Alfa Romeo ungeschminkt [link]
+) Kindchenschema kontra Kerl-Fresse [link]
+) Traktor. Marke. Fetisch. [link]

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