martin krusches [flame] logbuch / blatt #89


Straße des 20. Jahrhunderts VIII
Eine kleine Formengeschichte

Die Kugel (Sphäre) gilt seit der Antike als perfekter Körper. Auf dem Flug durch Luft bildet Wasser die Tropfenform. Das wurde auch im Automobilbau immer wieder aufgegriffen. Wird der Tropfen zum Geschoß, also Projektil, mag er als größerer Körper zum Torpedo werden, den ich im vorigen Blatt als Karosserieform beschrieben hab.

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Die BMW Isetta steht zwischen Kugel und Tropfenwagen

Tropfenwagen, Torpedo und Stromlinienkarosserie waren in der Vorkriegszeit schon auf vielfache Art erprobt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde -- wie erwähnt -- der Ponton zu einem Hauptereignis einer neuen Formensprache. Da ist von Europa die Rede, wo die Volksmotorisierung mit sehr kleinen Fahrzeugen begann.

Die BMW Isetta ist von den wesentlichen Komponenten her eigentlich schon ein Auto, aber eben sehr klein, ein Zweisitzer, der den Spitznamen Knutschkugel erhielt. Das Bubble Car wurde 1955 bis 1962 gebaut, steht im Aufschwung des Automobilismus zwischen Kugel und Tropfenform.

Diesem italienischen Lizenzprodukt schob BMW 1957 eine viersitzige Eigenkonstruktion nach, die bis 1959 produziert wurde. Die BMW Isetta 600 wird, wie ihre kleine Vorgängerin, in vielen Quellen noch als Kabinenroller klassifiziert. Aber Bauweise, Karosserieform und Motorisierung stellen sie unübersehbar neben den Fiat 600.

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Die BMW Isetta 600 hat zwei Sitzreihen und ist formal ein Ovoid wie der Fiat 600

Hier sieht man die 600er Isetta neben einem Puch-Schammerl, das eindeutig eine Nummer kleiner ist, was auch dem Verhältnis des Puch 500 zum Fiat 600 entspricht. Bemerkenswertes Detail: Dem BMW wurde im Heckbereich noch eine sanfte Stufe verpaßt, während der Fiat ein durchgängiges Fließheck hat.

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Steyr-Fiat 600 mit perfektem Fließheck

Freilich wurde auch der Ponton auf so kleine Dimensionen gebracht. Eines der markantesten Beispiele ist der Lloyd Alexander, wie er 1955 bis 1961 gebaut wurde; also auch ein Auto eben dieser Ära, und wie die werte Nachbarschaft mit einem 600er Motor ausgestattet.

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Lloyd Alexander, ein kleiner Ponton, neben Puch-Schammerln

Wo heute Flotten von Motorrädern wesentlich stärker motorisiert sind, kann man sich schwer vorstellen, daß 600 Kubikzentimeter für ein Auto reichen mögen. Doch wie viele Citroen 2CV sieht man noch auf unseren Straßen, die haben auch nicht mehr unter der Haube. Zwischen dem, was nötig ist und dem, was als angenehm gilt, liegen eben Welten.

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So klein und schon eine Stufenheck-Limousine: Glas Goggomobil

Es geht übrigens im Stufenheck-Segment noch deutlich kleiner. Hier eine zarte 250er Variante des Glas Goggomobil aus der Zeit zwischen 1955 und 1969. Dieses Format ist ja über die Leichtkraftwagen von Aixam, Ligier & Co. wieder in unseren Alltag gekommen.

Nun werden derlei Mopedautos bis heute nicht recht ernst genommen. Eine Frage des Marketing? Ein Daihatsu Copen (2002 bis 2010) ist schließlich kaum größer, aber merklich solider gebaut.

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Seine Basismotorisierung bringt es auch bloß auf 660 ccm, hat aber mit zeitgemäßer Technik über 60 PS zur Verfügung. Die 1300er-Version des Copen bringt es auf 87 PS, was bei einem Fahrzeuggewicht von 850 Kilo bedeutet, daß der Ernst des Lebens begonnen hat.

In Japan nennt man solche Winzlinge Kei-Car, was "leichtes Automobil" bedeutet; durchaus eine Entsprechung zum französischen Voiturette, das den Anfang der Automobilgeschichte markierte. Siehe zum Stichwort Voiturette das erste Blatt dieser Reihe: [link]

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