martin krusches [flame] logbuch / blatt #84


Straße des 20. Jahrhunderts III
Eine kleine Formengeschichte

Auf dem vorigen Blatt hab ich die Linie vom teilweise barocken Vorkriegsdesign zu den Nachkriegs-Pontons geführt und im Kleinwagen-Bereich die ovalen Klassiker neben den kubischen Mini gestellt. Der Fiat Nuova 500 war demnach hinfällig, so auch das rundliche Pucherl. Sie wurden in den Blechen vom kantigen 126er-Häusel abgelöst.

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Cabriolimousine Steyr-Puch 500

Die jugoslawische Lizenzversion des 126ers von Zastava in Kragujevac erhielt durch diese Formgebung auf dem Balkan den Spitznamen Pegelica, was "kleines Bügeleisen" bedeutet. Auch andere Lizenznehmer, wie der Polski Fiat von FSM oder Spaniens Seat, hatten übrigens den kleinen 500er nicht gebaut, sondern kamen vom Fiat 600 direkt auf den Fiat 126.

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Fiat 126p (Polski Fiat)

Die Steyr-Fiat hielt sich als 126er nur zwei Jahre, 1974/75, als Giugiaro schon die VW-Keile ins Geschehen gerammt hatte. Da war der Mini längst in seinem zweiten Jahrzent.

Alte Welt: Motor und Antrieb hinten (Fiat 126). Neue Welt: Motor und Antrieb vorne (Austin Mini). Natürlich lief in der Mittelklasse ein anderes Programm. Aber hier, bei den Kleinen, läßt sich ein Stück des Formen-Verlaufes gut veranschaulichen.

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Mini Cooper 1300

Fiat hatte aus den 1960ern den kompakten 850er in Coupé, Spider und Kleinbus weitergeschrieben. (Das ist für diesen Teil der Geschichte nicht repräsentativ.) Doch der Sprung vom 126er zum 127er scheint mir bemerkenswert. Quasi eine Nummer größer, aber in der gleichen Gestaltungsart.

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Fiat 127

Designer Pio Manzu hatte damit ein weiteres Fiat-Modell geschaffen, das sich in einigen Lizenz-Versionen über die ganze Welt verbreitete. Formal die Ablöse des Fiat 850, 1972 Auto des Jahres.

In den Jahrzehnten danach sind kleine Autos in den Dimensionen von Pucherl und Mini weder von den Straßen, noch von den Fließbändern verschwunden. Obwohl inzwischen der VW Golf eine eigene Kategorie geschaffen hatte, eben die "Golf-Klasse", sind kleine Autos mit großer (Heck-) Klappe nie aus der Mode gekommen. Ob Ölpreis-Schocks oder sprunghaft wachsende Verkehrsdichten in den Städten, der Bedarf hält an.

Es war dann die Handschrift von Giorgio Giugiaro, der für 1980 eine geniale Zusammenfassung von Fiat 126 und Fiat 127 schuf, den Fiat Panda. Dessen spätere Version, der Nuova Panda, gab übrigens die Plattform für den aktuellen Fiat 500, der den Nuova 500 aus den 1950ern zitiert.

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Fiat Panda Trekking (4x4)

Hier ein Fiat Panda in der Grazer Allrad-Version, auf dem Gelände des Einser-Werkes von Johann Puch. Heute kann ich keine neuen Kantigen finden. Seit Jahren werden die meisten Alltagsautos weltweit rundgelutscht.

Wie schon angedeutet, im Hochpreisbereich gibt es oft Überraschungen. Aber die massenmotorisierte Masse ist anscheinend derzeit für Experimentelles nicht zu haben.

Ich kenne in diesem Designbereich keine allgemein geläufigen Zuschreibungen, mit denen eine Übersicht der Stile gelingen würde. Die Profis werden wohl einige Begriffe haben, um diese visuellen Codes etwas zu ordnen.

Paolo Tuminelli läßt die Ära, die mich so interessiert, neben anderen Feldern, aus den 1960ern als Edge Line in Edge Box der 1980er übergehen. Etwa 1990 macht er New Edge Box aus und sieht hinter einer Weggabelung, rund um 2000, den Edge Body und den Carve Body.

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