Die Farben der Flamme: Input 4

 

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XX Thesen

Von Andrea Heinisch-Glück

 

I.
Wien ist eine Hauptstadt, ist eine durch und durch provinzielle Hauptstadt, sagen die, die es wissen müssen, weil sie schon in allen möglichen Hauptstädten waren und schon ganz was anderes gesehen haben als Wien.

II.
Was Österreich ist und nicht Wien ist, ist grundsätzlich Provinz. Sub- oder After-Provinz, wenn es nach denen geht, die es wissen müssen.

III.
Die österreichische Provinz ist schlecht, weil sie noch provinzieller als Wien ist.

IV.
Die österreichische Provinz ist gut, weil sie weitab vom provinziellen Wien liegt und infolgedessen frei ist von der Wiener HauptProvinzialität.

V.
Peripherie ist irgendwo zwischen Zentrum und Provinz.

VI.1.
In die Provinz fährt der Wiener, wenn Wochenende ist oder zum Schifahren. Der Wiener hat nie und nimmer seinen Lebensmittelpunkt (seinen Hauptwohnsitz) in der Provinz, aber er mag sie.

VI.1.A
Dem Wiener würde es nie und nimmer einfallen, in die Peripherie zu fahren.

VI.2.
Der ProvinzMensch fährt nach Wien, wenn er etwas sehen und hören will: ein Musical oder eine Messe oder eine Lesung. Manchmal hat er auch einen Termin. In Wien. Er muss extra nach Wien (hinein)fahren und ist froh, wenn er wieder hinauskommt.

VI.2.A
Dem ProvinzMenschen würde es nie und nimmer einfallen, in die Peripherie zu fahren.

VII.1.
Der PeripherieMensch hat seinen Hauptwohnsitz in der Peripherie, also irgendwo zwischen Zentrum und Provinz.

VII.2.
Der PeripherieMensch fährt in die Provinz und fährt ins Zentrum, weil er muss.

VIII.
Den PeripherieMenschen reißt's immer ganz schön um.

IX.1.
Der PeripherieMensch hat ein Problem, weil er nämlich nie genau weiß, wo er hingehört.

IX.2.
Genauso geht es den ZentrumsMenschen und den ProvinzMenschen, wenn sie auf einen PeripherieMenschen treffen.

X.
Der PeripherieMensch fällt in keinen Zuständigkeitsbereich. Deshalb wird der PeripherieMensch auch nicht gefördert. Der soll sich erst einmal entscheiden.

XI.
Im Zentrum stehen die Fördertöpfe.

XII.
Das Zentrum hat eine gewisse schwärmerische Neigung für die Provinz (ein Tiroler Schriftsteller, ein burgenländischer Geiger,..).

XIII.
Das Zentrum lässt sich diese Neigung auch etwas kosten.

XIV.
Das Zentrum hat wie die Provinz eine gesunde Abneigung gegen die Peripherie.

XV.
Die Peripherie ist für das Zentrum ein pubertärer Jugendlicher, dem es erst einmal heimzuleuchten gilt.

XVI.
Die Peripherie geht dem Zentrum gelegentlich gehörig auf die Nerven.

XVII.
Das Zentrum rächt sich an der Peripherie, indem es mit der Peripherie einfach nicht redet.

XVIII.
Das Zentrum will die Peripherie blöd sterben lassen. Oder aushungern.

XIX.
Das Zentrum hat manchmal Anlässe und lädt sich dann absichtlich nur die Provinz zu Tisch.

XX.
So funktioniert die Sache mit der Provinzialität.

 

Andrea Heinisch Glück ist Autorin


 

 

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