Blatt #185 | KW 36/2021
Sport Utility Vehicles
Baustellenleiter, Förster, Soldaten, aber auch Bergbäuerinnen,
Hebammen, Landärztinnen… Wer alles braucht ein geräumiges
Allrad-Fahrzeug? Einstmals Michele Mouton, als sie die männliche
Motorsportkonkurrenz nervös machte? Nein, der Audi quattro ist
kein SUV. Was ist ein SUV?
Was ragt hier zwischen den
Durchschnittsmaßen hervor?
Wie amüsant! Da hab ich in Gleisdorf
eben den Elektro-SUV entdeckt, der als
Ford Mustang
vermarktet wird. Das ist ein noch härterer Kontrast als die
Übung, auf Fahrräder, welche aus asiatischen
Komponenten in Frankreich assembliert wurden, die Marke PUCH zu kleben.
Ford Mustang Mach-E. Ein Zusammenklittern von tradierten
Motiven. So geht eben Marketing… nehme ich an. Und tags darauf
finde ich am Gleisdorfer Hauptplatz genau jenen BMW SUV, der alle
durchschnittlichen PKW deutlich überragt und dessen Frontdesign
im Web bisher für reichlich Häme gesorgt hat.
Als würde ein Schwergewichtsboxer im
Kindergarten vorbeischauen.
Sie wissen ja schon, der
Automobil-Paparazzo in mir freut sich über jeden kuriosen Fund.
Mein Faible für Industriedesign ist immer munter. Ach, diese
umstrittenen BMW-Nieren, die ich noch nie für Nieren, sondern
allerweil schon für Schamlippen gehalten hab.
Frühe BMW
und Alfa Romeo kann man diesbezüglich gar nicht falsch
verstehen. (Nur der Ford Edsel war noch frivoler ausgestattet.) Aber gut,
Nieren. Lustig: auch bei Wikiped ist das zwar anschaulich
dargestellt, wird aber euphemistisch weggeredet: [Link]
Das neue Front-Design wird von Fans
als Proviokation empfunden
Nun also der BMW X7. Mehr als fünf Meter Länge. Das nennt man
in den Staaten einen Fullsizer. Etwa zweieinhalb Tonnen Gewicht.
Dazu sind Motoren mit bis zu 530 PS verfügbar. (Natürlich gibt
es Lastwagen, die müssen mit weniger Kraft auskommen.)
Doch was ist ein SUV? Ein Sport Utility
Vehicle. Was soll das sein? Ein Marketing-Gag. Das Utility
Vehicle ist ein Nutzfahrzeug. So die Wortbedeutung. Warum soll
es sportlich sein? Damit gelangen wir in den Bereich des
Irrationalen und der sozialen Codes. Ich sag es etwas goschert:
Papa hat es gerne komfortabel, braucht Platz, wünscht
Sicherheit, will aber als flotter Hecht durchgehen und kann sich
was leisten. Bazongggg!
Fiat Panda 4x4, ganz passabel auf Abwegen, aber
kein SUV
Wikiped ist aufschlußreich. Die Crowd definiert den SUV so:
„Sport Utility Vehicles, abgekürzt SUV, auch als
Geländelimousinen oder Stadtgeländewagen bezeichnet, sind
Personenkraftwagen mit erhöhter Bodenfreiheit und einer
selbsttragenden Karosserie, die an das Erscheinungsbild von
Geländewagen angelehnt sind.“
„Geländelimousine“ ist
nicht ganz so kurios wie „Stadtgeländewagen“. Beachten Sie, daß
etwa der klassische Fiat Panda 4x4 (Allradtechnik aus Graz) zwar
nur mit Augenzudrücken unter „Limousine“ rangiert, aber ein
feiner Hatchback ist, der sich abseits von Straßen ganz gut
macht; in Relation zu seinem technischen Aufwand und seinen
Kosten.
Und gleich einige Gassen weiter: Alfa Romeo Stelvio
Der Allrad-Panda ist eine kompakte, sanft geländetaugliche
Kompakt-Limousine. Den würde aber niemand SUV nennen, weil
dieses Kürzel mit Blockhütten assoziiert wird, mit fetten Fuhren.
Der Panda ist im Grunde ein Nutzfahrzeug mit einem Hauch von
Sportlichkeit und – wie erwähnt – mit einer für seine Klasse
ganz passablen Offroad-Qualität. Klar, der Rolls Royce Cullinan
kann im Crashtest mehr Energie schlucken und von den Fahrgästen
fernhalten als der Panda. (Aber wenn es mit rund 2.800 Kilo
kracht, rührt sich auch weit mehr als bei den vergleichsweise
zarten 900 Panda-Kilos.)
Rolly Royce Cullinan (Foto: Gall):
Nicht weil ihn jemand braucht, sondern weil die Firma es kann
Wenn etliche Leute in meiner Community feststellen, der Typus
SUV werde von niemandem gebraucht, sei völlig überflüssig, dann
sind das Ansagen aus der Ecke der Car Guys, die Freude daran
haben, von Hand zu fahren, einen Wagen auf physischer Ebene
selbst zu beherrschen. Das müssen SUV-Piloten nicht und wollen
es vermutlich keinesfalls.
Ich hatte einmal Gelegenheit,
für einen Tag den Porsche Cayenne Doppelturbo abzuholen.
Zweieinhalb Tonnen Automobil, von über 500 PS mit satten 720 Nm
Drehmoment bewegt. Den hab ich nicht bloß von Hand gefahren,
sondern das ging gut, weil ich dabei in ein komplexes
EDV-gestütztes Assistenzsystem gehüllt war. (Für so ein
Maschinchen ohne EDV müßte man ein sehr versierter Pilot sein.)
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