Blatt #149 | KW 51/2020

Steyr etc.

„Denke mir bei euch Puchleuten wäre die Geschichte gut aufgehoben. Ich bin mehr auf der Steyr Seite zuhause…“ schrieb mir Thomas K. Billicsich. Das bedeutet bei ihm, er pflegt und fährt einen Steyr XII, das erste Großserien-Automobil in Österreichs Geschichte.



Steyr XII Double Phaeton aus dem Archiv von Ferdinand Micha Lanner

Das hieß in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre: etwas über elftausend Einheiten. Billicsich wies mich auf die Website des Fotokünstlers Robert W. Sackl-Kahr Sagostin hin. Da gibt es eine Notiz, die besagt:

„Besuche bei meinem Großonkel Benno, der sein Atelier am Karmeliterplatz direkt am Schloßbergaufgang betrieb. Er erzählte von seinem Bruder Uto, der in Addis Abeba Privatsekretär des letzten Kaisers von Abessinien, S. M. Haile Selassie, war. Und über die Reisen auf seiner Puch, die ihn in den zwanziger Jahren am Landweg bis nach Peking geführt hatte. Die einzigen Gepäcksstücke – sein ganzer Stolz – eine Schraubleica, sowie Stativ, Zahnbürste und englisches Bienenwachs zum Polieren der Motorradstiefel. Von ihm lernte ich viel über Lichtsetzung in der Portraitphotographie sowie den Umgang mit Lasurfarben bei der Pinselretusche.“ [Quelle]



Schraubleica aus den 1920er Jahren
(Photo: Eugene Ilchenko, CC BY-SA 3.0)

Außerdem kam eben ein Billett, das einen Steyr XII zeigt, freilich nur ein Stück davon. Es ist der weiße Doppelphaeton von Helmut Oberzill. Beide konnte ich bei einer mehrtägigen Tour näher kennenlernen.

Der elegante, in klaren Linien gefaßte Wagen bietet Fahrerlebnisse, die definitiv aus einer versunkenen Welt stammen. Der Kontrast zu unseren heutigen Fahrzeugen, die einer verwöhnten Gesellschaft große Annehmlichkeiten bieten, ist härter, als es sich Laien vorstellen mögen.



Grüße von Helmut Oberzill

Man muß diesem Spitzenprodukt österreichischer Automobilgeschichte körperlich, mental und in seinem Fahrvermögen gewachsen sein. Man muß technisch versiert sein und kam außerdem in den 1920er Jahren so einem Automobil nur nahe, wenn man finanziell sehr gut gestellt war. Siehe dazu: "Eine Barke aus Atlantis"!



Oberzills Steyr XII

Es ist ein Produkt der Zweiten Industriellen Revolution. (Wir leben heute in der vierten.) Ich hab im Eintrag #147 übrigens auf ein Grazer Auto jener Ära verwiesen, das damals nicht über die Hürden der technologischen Umbrüche kam. Da finden Sie einen Link auf die Online-Version jener Dokumentation, die beschreibt, wie der einzige D&U-Wagen, der erhalten blieb, wieder fahrbar wurde.


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