Blatt #134 | KW 43/2020

Edvard Rusjan, Flugpionier

Ich hab nun meine alten Briefmarkenalben ausgegraben, die noch aus den 1960er Jahren stammen. Von der Sammlung ist natürlich ein Teil durch Jahrzehnte verlorengegangen, aber doch einiges für mein heutiges Thema erhalten geblieben.

Ich suchte nach Flugzeug-Motiven und dachte, die jugoslawische Briefmarke würde Louis Blériot zeigen, was mir momentan gut gepaßt hätte. Der stilisierte Eindecker, der Mann mit der streng sitzenden Kappe und dem traurigen Blick…



Ich vermute: der "Sokol"

Aber es ist nicht Blériot, sondern Edvard Rusjan. Der wurde 1886 in Triest geboren, kam 1911 bei einem Absturz über der alten Festung Kalemegdan in Belgrad ums Leben. Das wurde durch die zyrillische Schrift deutlich.

Mein bißchen Übung im Lesen der Cirilica erbrachte: „50 godišnjica prvih letova u jugoslaviji“ und das übersetzte mir die Software mit „50. Jahrestag der ersten Flüge in Jugoslawien“. Bei genauerem Hinsehen scheint das Leitwerk des Flugapparates einem gefächerten Vogelschwanz zu gleichen. Von den sieben Flugzeugen der Brüder Edvard und Josip (Jože) Rusjan, Eda I – Eda VII benannt, scheint mir diese Grafik keines, sondern einen Vorläufer zu zeigen.



Bleriots Modell IX

Es könnte der Prototyp „Sokol“ sein, das südslawische Wort für Falke. Dieser Eindecker mit dem Vogelschwanz wurde 1910 in einer Halle in Zagreb gebaut und erwies sich als flugtauglich. Er glich etwas der „Taube“ von Igo Etrich und war mit einem Motor von Gnome et Rhône ausgestattet.

Es gibt auch Quellen, in denen diese Marke aus dem Jahr 1960 mit „Edvard Rusjan & Blériot IX“ beschrieben wird. Aber der Blériot IX hatte ein anderes Leitwerk und eine andere Tragflächenkonstruktion. Eda VI soll dann dem Layout der Blériot-Flugzeuge sehr nahe gekommen sein.



Die 1960 erschienene Jubiläums-Marke

In „Österreichisches Biographisches Lexikon“ findet sich die Notiz: „Eda VI, ein Eindecker nach Blériots Muster, wies originelle Konstruktionslösungen auf; mit dieser Maschine flog R. im Juni 1910 in Görz gem. mit den Piloten Heim und Sablatnig.“

So bildet der Marken-Fund eine kleine Schnittstelle zum Thema „Renner-Buben“. Meine Großmutter Marianne Renner, eine Cousine der Piloten, hatte in meiner Kinderjahren quasi die Patronanz über zwei meiner damaligen Leidenschaften übernommen. Bücher lesen und Briefmarken sammeln. Sie war mein Gegenüber, um diese Dinge mit jemandem erörtern zu können.



Großmutter Marianne schenkte mir zu Geburtstagen Marken-Alben

Dabei boten mir beide Gebiete Fenster zur Welt. Die Briefmarken hatten darin spezielles Gewicht, da Medienzugänge in den 1960er Jahren geradezu minimal waren im Vergleich zu dem, womit unsere Kinder aufwuchsen. Es gab für mich lange Zeit nur dann Fernseherlebnisse, wenn unsere Nachbarn mir erlaubten, zu einer Sendung vorbeizuschauen, was meinen Eltern eher mißfiel.

Die eigentlichen Sensationen waren Wochenschauen im Kino, wie sie vor Spielfilmen gezeigt wurden. (Auch ein seltenes Vergnügen.) Also wurde meine Briefmarkensammlung ein phantastisches Panoptikum, das meine Bücher wunderbar ergänzte.

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