Blatt #132 | KW 42/2020

Der Rennerbuben-Marsch

Manche populäre Märsche, eigentlich: Marschlieder, waren seinerzeit eine Mischung aus Unterhaltung und Werbemedium. Sie boten teilweise Inhalte ähnlich dem an, was wir heute aus dem Werbefernsehn kennen. Der Marsch "D'Rennerbub'n" von Wilhelm August Jurek, mutmaßlich aus dem Jahr 1909, hat einen entsprechend eingängigen Text, der als etwas grobe Gebrauchslyrik daherkommt.



Der Estaric auf dem Cover der Partitur

Das Dokument belegt die schon damals gebräuchliche Bezeichnung „Renner-Buben“ und ist ein anschauliches Beispiel, womit die Menschen einst im Kielwasser technischer Innovationen ihre Adaptionsphase dekoriert bekamen. Sich mit der Neuerung vertraut machen. Das sind anspruchsvolle Vorgänge.



Ein damals recht populärer Kapellmeister

Solche Musikstücke, aber auch Bildpostkarten, lebhaft illustrierte Zeitungsberichte und mechanisches Spielzeug sowie publikumswirksame Vorführungen im öffentlichen Raum waren Teil der Prozesse, durch die eine Gesellschaft technische Erfindungen kennenlernte, sich schrittweise daran gewöhnen konnten.

Einige Kapellmeister von militärischen Verbänden erreichten damals erhebliche Beliebtheit. Wilhelm August Jurek (1870 bis 1934) ist ein markantes Beispiel dafür. Er gehörte ab 1891 für drei Jahre dem K.u.k. Infanterie-Regiment Hoch- und Deutschmeister Nr. 4 an..



Gebrauchslyrik, wie sie wohl als "volkstümlich" verstanden wurde.

Jureks „Deutschmeister-Regimentsmarsch“ (1893) hatte ich schon als Kind in den Ohren, denn er sorgte für eine äußerst markante Stelle in einem Film von Sisi-Regisseur Ernst Marischka. Die Sequenz ist mir bis heute geläufig.

Streifen wie Die Deutschmeister“ (1955) liefen vorzugsweise wochenends im nachmittäglichen TV-Programm. In diesem Fall waren Heinz Conrads, Paul Hörbiger und Hans Moser auch für uns Buben längst vertraute Schauspieler. Romy und Magda Schneider, Susi Nicoletti und Adrienne Gessner lernten wir durch solche Filme ebenso kennen.



Komponist und verlagn empahlen sich Seiner Majestät.

Jurek war ein Zeitgenosse und gewissermaßen Kollege von Eduard Wagnes (1863 bis 1936), dem Kapellmeister der sogenannten „Zweier-Bosniaken“. Dieses Bosnisch-Hercegovinischen Infanterie Regiment Nr. 2, in Graz stationiert, wurde im Großen Krieg zur am höchsten dekorierten Einheit des Kaisers.



Von Wagnes mit Mai 1900 datiert.

Ich erwähne Wagnes, weil er mit unserem Thema verwoben ist, da er „Meinem lieben Freunde Herrn Johann Puch“ ein Marschlied komponiert hat, das folglich den Titel „Puch-Marsch“ trägt. Das paßt also in diese Erzählung von den enormen Kräftespielen rund um den Auftakt der Zweiten Industriellen Revolution. (Fortsetzung: der Text)

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