Blatt #126 | KW
40/2020
Progressionen
Der Blick in die Vergangenheit meiner eigenen Familiengeschichte
hatte sich hier schon angebahnt. Inzwischen fand die Session in
der Grazer „Gruabn“ statt, auf einem Fußballplatz, den
ich aus meinen Kindertagen kenne. (Sein Name Sturmplatz
bezieht sich auf den Fußballklub SK Sturm.)
Von
der Tribüne aus sieht man auf den Kirchturm, hinter dem ich
aufgewachsen bin. Bei meinem Wiedersehen mit den Verwandten aus
der Renner-Familie hat sich gezeigt: Alexander Renner wuchs ein
paar Häuserblocks weiter auf. Da er aber vier Jahre jünger ist
als ich, haben wir uns in der nahen Volksschule verfehlt.
Ballonpost auf dem Sturm-Platz, dahinter dei Münzgrabenkirche
Künstler Igor F. Petković, der die
Sturm-Session konzipiert und organisiert hat, wird nun einen
weiterführenden Schritt entwerfen. Das ist eine der Linien, die
ich mir näher ansehen will. Der Renner’sche Flug von 1909 fiel
natürlich nicht zufällig in ein Zeitfenster, als die
Leistungsfähigkeit der Motoren Anlaß war, auf unzählige Arten
damit zu experimentieren.
Da war eine Art Sog entstanden,
auf den manche markant reagierten. Im Jahr 1905 hatte die
Behörde eine Registrierungspflicht für Kraftfahrzeuge eingeführt
und Nummerntafeln ausgegeben, denn es war quer durch die
Monarchie zu immer mehr Beschwerden über Probleme und Unfälle
gekommen, in denen die „Autler“ als rücksichtslose Raser
empfunden wurden.
Eine Nachricht von der Position 4/4
aus.
Bis 1910 verbreiteten sich bei uns Vierzylindermotoren stark,
Produktionszahlen stiegen permanent, die vielfach eher zarten
Voiturettes mit ihren ein- und zweizylindrigen Motörchen wurden
flott von Wagen mit kräftigeren Vierzylinder-Motoren abgelöst.
Zur Orientierung: rund um 1903 hatte man bei Spyker
(Holland) schon einen tauglichen Reihensechszylinder. Das führte
zum fulminanten Spyker 60 H.P., einem allradgetriebenen
Rennwagen. Dreiganggetriebe mit eingebautem Differential.
Kardanwellen zu den beiden starren Achsen, die ihrerseits mit
Differentialen ausgestattet wurden.
Der 4x4 Spyker 60 H.P. von 1903 (Foto: Stahlkocher, CC BY-SA
3.0)
Damit will ich verdeutlichen, daß damals gerade eine enorme
Progression in die Entwicklungen kam, so daß bis zum Beginn des
Großen Krieges sehr leistungsfähige Kraftquellen für alle Arten
von Fahrzeugen verfügbar waren. Das hatte auch die Fliegerei
verändert.
Die Steiermark, lange Zeit eine sehr arme,
eine rückständige Region nahe der alten Militärgrenze zum
Osmanischen Reich, verfügte über genug talentierte Leute, die
ihren Tatendrang an den neuen Technologien erproben konnten. In
der Phase hatte sich der Benzinmotor gegenüber Dampfmaschinchen
und Elektromotoren als dominantes Konzept durchgesetzt.
Lotus Europa in Albersdorf
Amüsantes Detail: an diesem Wochenende schickte mir Karl Bauer
via WhatsApp einen Zufallsfund: „Lotus in Albersdorf zur
Anti aging-Therapie!“ Paßt zum Thema. Genau diesen Wagentyp
gab es damals in unserem Revier.
So einen Lotus
Europa hatte ich als Bub etliche Male in der
Münzgrabenstraße gesehen und bestaunt. Das Design dieses von
1966 bis 1975 gebauten britischen Zweisitzers ist ja völlig
unverkennbar.
-- [Wir
Ikarier] --
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