Blatt #124 | KW 39/2020

Puch Flug-Motoren

Im Jahr 1909 machten die Renner-Buben Schlagzeilen und zierten so manches Zeitschriften-Cover. Allerhand Postkarten, die den „Estaric I“ zeigen, das erste Luftschiff, der Familie Renner, tragen den Hinweis auf einen Puch-Motor.

Es wäre kaum überraschend, wenn der Altmeister diesen Motor als Sponsor eingebracht hätte, um sich ab da laufend der jungen Luftfahrtindustrie zu empfehlen. Puch hatte sich in jener Zeit zu Lande schon vorzüglich etabliert und zielte unübersehbar auf Geschäfte in der Luft.

Hier ein Foto aus dem Archiv von Ferdinand Lanner, mit dem ich voriges Jahr einige Tage unterwegs war. Es zeigt seinen Großvater gleichen Namens in einem Rennwagen. Davor steht Johann Puch. Lanner meint, dieses Bild sei 1909 oder 1910 entstanden.

Die Zeit zwischen 1909 und 1914, als dann der Große Krieg begann, war eine Ära neuer Produktionsmethoden und Automatisierungsschritte. Puch starb im 14er Jahr, hat also die Entfaltung der Zweiten Industriellen Revolution nicht weiter miterlebt.

Der älteste Puch-Motor, von dem wir wissen, sieht nach einem luftgekühlten Zweizylinder-Boxer aus. Er soll aus dem Jahr 1898 stammen. Ich kenne dazu nur eine Quelle, die „Allgemeine Automobil Zeitung“ aus dem Jahr 1911.



Ferdinand Lanner (links) und Johann Puch [Große Ansicht]

Schon damals konnte man offenbar bloß spekulieren: „Jeder wollte originell sein und etwas erzeugen, das besser war als das bisher Vorhandene. Und so sehen wir denn, daß Johann Puch einen Motor gebaut hat, der ein wenig Ähnlichkeit mit einem Luftschiffmotor hat.“

Genaue Dokumentationen der Vorhaben und Projekte waren offenkundig nicht üblich. Im Prinzip hätte das 1898er Werkel auch für eine frühe Voiturette passen können. Doch an der verschollenen Puch Voiturette von 1900 lassen erhaltene Abbildungen keinen solchen ausladenden Boxer erkennen.



Der Puch Boxer von 1898

In jenen Tagen waren einzylindrige De Dion-Motoren aus Frankreich vorzüglich im Geschäft. Die verbaute etwa Benedict Albl in seinem Phönix von 1902; darauf komme ich noch. (Albl war kurze Zeit ein Arbeitgeber des jungen Puch gewesen.) Puchs spätere Voiturettes, bis zu jener von 1906, hatten wassergekühlte Zweizylinder in Reihe und in V. Das werte Publikum wollte aber bald schon kräftigere Maschinen.

Rund um 1910 attestierte die AAZ dem Altmeister, er habe einen „Zug ins Aviatische“. Darauf weist nicht bloß 1909 der Puch-Motor im „Estaric I“ hin. (Ja, der Estaric.) Puch bemerkte eine „rege Nachfrage nach Flugmaschinen“. Es „veranlaßte die Firma Puch, einen Blériot-Eindecker in Paris zu bestellen, der demnächst in Graz eintreffen wird“.



Original Bleriot XI Thulin A 1910 (Foto: J. Klank, GNU Lizenz)"

Das war frühe Oberliga. Blériot hatte seinen Flugapparat im Oktober 1909 in Wien vorgeführt. Er hatte davor, am 25. Juli 1909, mit dem Blériot XI seinen historischen Flug über den Ärmelkanal absolviert und damit die Tauglichkeit seines filigran wirkenden Eindeckers demonstriert. (Eine Konstruktion, die wohl auch für den frühen Puch-Boxer geeignet gewesen wäre.)

Das alles mußte einen ebenso wißbegierigen wie in Werbemaßnahmen überaus geübten Mann elektrisiert haben. Johann Puch reagierte als Unternehmer stets empfindlich auf das Publikum. Das hatte er davor schon im Radrennsport gezeigt.


Puch Vierzylinder Boxer

Auch wenn ich keine Quelle kenne, die es belegen würde, gehe ich davon aus, daß er sich mit den Renner-Buben über deren Erfahrungen eingehend unterhalten hat. So pflegte er es ja auch mit erfolgreichen Rennfahrern, egal ob das Fahrräder, Motorräder oder Rennwagen betraf.

Überdies war er mit einem Offizier befreundet, der ein Stück österreichischer Luftfahrtgeschichte verkörpert: Eduard Nittner. Der hatte mit einer Etrich Taube den Semmering überflogen und so für Österreichs erster Alpenpaß-Überquerung per Flugzeug gesorgt.



Cover-Ausschnitt Illustrierte Kronen Zeitung, 20. Oktober 1909

Aus dem Jahr 1910 ist eine technische Zeichnung erhalten, die einen schlanken Vierzylinder-Boxer zeigt, der durch seine Zylinder-Anordnung eine gleichmäßige Kühlung zuläßt. Es hieß damals in der Presse, Puch werde keine Aeroplane bauen, sondern „nur die Motoren hiezu“.

Der Vierzylinder-Boxer soll für 35/40 HP gut gewesen sein, was in jenen Tagen als bärenstark gelten durfte. Eine weitere Maschine sei in Planung, doch „Nähere Details, Antrieb der Schraube, sowie Bohrung und Hub werden vorderhand noch geheimgehalten".

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