Blatt #71 | KW
18/2020
Mythos Puch
Der Lockdown hat uns gezwungen, „Mythos Puch VII“ zu
adaptieren. Die österreichweiten Oldtimertage (25. und
26. April 2020) wurden abgesagt. Wir halten unseren Termin
allerdings, nehmen nun kleine Objekte, gehen vorerst hinter
Glas, erzählen eine eigene Geschichte. Erst ein kleiner
Überblick.
Vor etwas mehr als hundert Jahren waren
Automobile eine horrend teure technische Innovation. Zu der Zeit
hatten allerdings kostspielige Fahrräder in der Form des
sogenannten Niederrades (Safety) schon eine soziale
Revolution eingeleitet.
Die
Puch Voiturette von 1906
Auf dem oben gezeigten Oldtimer-Häferl sieht man die
rare Puch Voiturette von 1906, wie sie in Graz gebaut wurde. Das
waren damals allerweil noch Kleinserien mit nur wenigen
Einheiten. In den 1920er Jahren verfügte Österreich über eine
hochkarätige Automobilindustrie und begann mit der
Massenfertigung.
Die lieferte allerdings nach wie vor
eher bescheidene Stückzahlen, wenn man dagegen die Produktion in
Deutschland, England oder Frankreich betrachtet. Das lag sehr
wesentlich an Problemen mit knappen Ressourcen und Devisen,
adäquaten Netzwerken auf ausreichend großen Absatzmärkten etc.
Kleinwagen und Staatskarossen
Ich zeige in der ersten Station (Volksbank Gleisdorf)
unter anderem eine Modell des 1938er Grand Mercedes-Benz 770
Convertible (W 150). Das Spitzenmodell als Cabriolet kostete
damals umgerechnet etwa 204.900,- Euro. Eine für Menschen meiner
Herkunft annähernd unvorstellbare Summe.
Ich habe zum
Vergleich den Austro-Daimler Bergmeister (ADR) danebengestellt,
was zeigen soll, Österreich hatte in der Oberliga durchaus etwas
zu bieten, auch wenn dieser Doppelphaeton an den Mercedes nicht
ganz heranreicht.Dacht.
Die Mittelschicht stellte Ansprüche
Zum Vergleich sind dahinter ein gelbes Puchschammerl
(die Cabriolimousine) und ein weißer 600er eingeparkt. Sie
zeigen den Kontrast, in dem nach dem Zweiten Weltkrieg
Automobile auch für breitere Kreise langsam erschwinglich
wurden. Auf dem dritten Foto von links ein Topolino ein 600er
und ein 500er (Cabriolimousine) vor einem G-Wagen.
Meilensteine. Der Fiat 500 Topolino (links) sollte eigentlich
für Arbeiter, die ihn bauten, auch erschwinglich sein, war es
aber nicht. Bei uns wurde der Topolino (1936–1955) etwas für
Geschäftsleute, für eine wirtschaftlich erfolgreiche
Mittelschicht. Die Arbeiterschaft konnte da vorerst nicht mit.
Das Puch-Schammerl in 1:18
Hinter dem Trio sehen Sie ein Modell der G-Klasse, bei uns vor
allem als Puch G populär. Der kam 1979 als Nutzfahrzeug auf den
Markt, wird also seit 40 Jahren gebaut. Der G-Wagen war aber
konzeptionell von Haus aus auch an Privatkundschaft adressiert.
Dieses Konzept ging auf.
Ein gediegenes Fahrzeug. Selbst
ausgemusterte Flottenfahrzeuge sind nichts für eher kleine
Brieftaschen. Nach oben hin kann man sich bis tief ins
Luxussegment hinein verausgaben. Ich konnte im
vorigen Eintrag eine
700 PS starke Brabus-Version des 6x6 zeigen. Der würde mich
schon ruinieren, wenn er bloß vor dem Haus stünde, ohne je
bewegt zu werden.
Die serbische Lizenzversion des Fiat 600
So ziehe ich in der ersten Station von „Mythos Puch VII“
hinter Glas einen kleinen Bogen durch diese rasante
Entwicklungs- und Formengeschichte, welche uns die Illusion
beschert hat, wir könnten jederzeit über Kraftfahrzeuge
verfügen, die uns immer dann zügig dort und dort hinbringen,
wenn wir es möchten. Ganz so ist es ja nicht gekommen…
+)
Mythos
Puch VII +) Die erste Station:
Volksbank, Gleisdorf +)
Die zweite Station:
Wosnei x, Gleisdorf +) Die dritte
Station: Zweirad
Laller, Gnies
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