Blatt #24 | KW 39/2019
Tage in den Hügeln #1
| Mythos Puch VI
Den 1913er Ford Model T hatte ich
schon auf dem Parkplatz gesehen. Und die anderen der ältesten
Exemplare unserer Tour für die kommenden Tage? Nach ihnen mußte
ich mich erst umtun. Sie waren in einer Halle abgestellt.
Ford Model T von 1913
Den 1922er Steyr kannte ich schon.
Ein Doppelphaeton wie der 1927er Steyr XII, mit dem ich
anschließend durch die oststeirischen Hügel unterwegs sein
würde. Und der fragile 1924er D&U-Wagen, der in Graz gebaut
wurde, von dem nur dieses eine Exemplar erhalten blieb. Den
hatte ich auch schon fahrend gesehen. Das macht einen
erheblichen Unterschied zum Schaustück in Museen.
Funktionierende Maschinen…
Der Steyr XII ist von außen
betrachtet das bulligste Exemplar unter den genannten
Fahrzeugen, ohne sonderlich geräumig zu sein. Dennoch bietet der
Doppelphaeton vorne völlig ausreichend Platz und ist in der
zweiten Sitzreihe auch noch akzeptabel dimensioniert. Er gilt ja
als Fünfsitzer. Die Menschen waren es offenbar gewohnt,
entsprechend zusammenzurücken.
Von Links: Steyr XII, Steyr IV, D&U-Wagen
Alle Applikationen an der beplankten
Holzkarosserie wirken wie aus dem Vollen gefräst. Dafür wurde
der Reihen-Sechszylinder mit sein auf Sparsamkeit ausgelegten
1600 ccm nicht gerade muskulös konzipiert. Das Getriebe ragt in
Fahrgastraum und ist beizeiten ein sanfter Wärmespender.
Die verfügbaren 30 PS kann der Zwölfer vor allem im Hügelland
sehr gut brauchen. Aber Besitzer Helmut Oberzill meinte ohne
jede Spur von Beunruhigung, der Steyr sei auf Steigungen ebenso
zuverlässig wie bergab. „Mit der Ersten kannst du eine Mauer
hochfahren.“ Darüber würde bei heutigen Fahrzeugen niemand ins
Grübeln kommen. Doch bei derart alten Automobilen können
landschaftliche Eigenheiten zur Barriere werden.
Steyr XII
Micha Lanner stieß mich darauf, daß sein Vater mit diesem Steyr
sehr gut vertraut gewesen sei und meinte mit ironischem
Seitenblick auf unsere Tage in seinem Morgan Roadster (Blatt
#7): „Ähnlich
eng wie im Moggie.“ Ganz so wie in einem Etui war es dann doch
nicht. Oberzill hatte die Schrauben der Verankerung des
komfortablen Sitzes gelöst, um ihn nach hinten zu versetzen, was
für meine Beinlänge vollkommen genügte.
Bei Lanner findet
man den Hinweis: „Mein Vater übernahm 1926 die Aufgabe, die
Privatfahrer mit ihren starken und erfolgreichen Steyr Wagen
(VI, Klausen, Sport) im Ausland (hauptsächlich in Italien und
der Schweiz) zu betreuen.“ [Quelle] Da findet man einige
historische Fotos der Zwölfers.
Nun
fehlt nicht mehr viel und dieser Wagen ist hundert Jahre alt.
Besitze ich irgendetwas, das hundert Jahre alt ist? Nein. Doch.
Einige Bücher. Das läßt sich aber in keiner Weise vergleichen.
Papier wird seit über zweitausend Jahren hergestellt. Den
Buchdruck mit beweglichen Lettern schreiben wir in Europa
Johannes Gensfleisch, Gutenberg genannt, zu. Da ist vom 15.
Jahrhundert die Rede.
Bücher sind also etwas ganz
Kompaktes, so eine alte Maschine dagegen aber etwas höchst
Komplexes, dessen Anfälligkeit für Verschleiß und daher Pannen
wir uns heute an zeitgemäßen Autos nicht vorstellen können oder
vorstellen wollen. |