Blatt #21 | KW 37/2019

Zweiter Marcuswagen, 1888 (Fahrzeug)

Es ist das erste österreichische Automobil mit einem Viertaktmotor und etlichen anderen technischen Details, die zu der Zeit völlig neu waren. Dies ist allerdings ein Nachbau. Das Original ist freilich erhalten geblieben. Ich akzeptiere die Datierung, wie sie nach einigen Kontroversen heute als vorrangig gilt. Es stand längere Zeit zur Debatte, ob für diesen Wagen das Jahr 1875 belegbar sei. Dabei ging es um den Streit, wer als Erfinder höher einzustufen sei.

Die Beteuerung, daß „die beiden deutschen Ingenieure Gottlieb Daimler und Carl Benz als Schöpfer des modernen Kraftwagens zu bezeichnen sind“ (Wikipedia), ist fraglos werbewirksam. Doch in dem, was wir uns als „modernen Kraftwagen“ vorstellen dürfen, stecken enorme Vorleistungen von unzähligen Menschen, um zu durchaus verschiedenen Lösungen zu führen.

Im bloßen Augenschein sieht der Marcus-Wagen einem modernen Automobil weit ähnlicher als Daimlers Motorkutsche oder das Tricycle von Benz. Aber ich denke, die Fragestellung ist einfach etwas irreführend und wird dem komplexen Thema nicht gerecht.

Ich meine, es gibt nicht „den“ Schöpfer „des“ Kraftwagens. Aber in einem gut überschaubaren Zeitfenster haben einige exponierte Männer wichtige technische Lösungen a) gefunden und b) gebündelt. (Nächstes Foto: der Zylinder.)

Niemand kann Carl Benz das bedeutende Verdienst absprechen, als erster einen pferdelosen Wagen entwickelt zu haben, der sich in konkret gebauten Kleinserien bewährt hat. Dazu kommt die Leistung seiner Frau Bertha, daß sie als erster Mensch eine Fernfahrt per Automobil absolviert und die dabei unterwegs anfallenden technischen Anforderungen bewältigt hat.

Marcus hat dagegen weder eine Kutsche, noch ein Fahrrad motorisiert, sondern eine eigenständige Konstruktion geschaffen. Techniker Alfred Buberl belegt aus verschiedenen Quellen mehrere Fahrgestelle und Motoren. Nur dieser Wagen ist uns erhalten. Offensichtlich ein Technologieträger, ganz auf den Zweck abgestimmt: motorisiert fahren zu können. Der erste Marcus-Wagen war bloß ein nicht lenkbarer Karren, gebaut, um einen Motor zu testen. Vom dritten Marcus-Wagen, der gefahren sein soll, existiert nur noch die gezeichnete Version.

Was man sieht: aus der Kutschenwelt stammt hier noch die Drehschemel-Lenkung. Damit die Achse gut schwenkbar ist, aber der Schwerpunkt des Wagens nicht zu sehr hochgeht, ist der Rahmen geknickt. Die Lenkung ist bemerkenswert und der Motor mit seinen Aggregaten eine Meisterleistung.

Spekulation ist nie aussagekräftig. Aber es scheint mir sehr plausibel, daß Marcus, wenn er wirtschaftlich vorangekommen wäre, später die besser geeignete, doch technisch etwas kniffligere Achsschenkellenkung nicht ignoriert hätte.

Der Ingenieur Alfred Buberl hat das erhaltene Original wieder fahrtüchtig gemacht, um die Fahrtauglichkeit des Wagens zu demonstrieren. Er war engagiert und kämpferisch, um nicht nur zu beweisen, daß Marcus seinen Wagen vor Benz auf die Straße gebracht habe, sondern auch, daß der Viertakter von Marcus schon vor jenem von Nicolaus Otto verfügbar gewesen sei. Buberl hat sich damit nicht durchsetzen können. Mich interessiert derlei Ranking-Frage weiter nicht, aber ich halte sie kulturgeschichtlich für interessant.

+) Benz, Daimler & Marcus

-- [start] [österreichische fahrzeuge] --