Blatt #17 | KW 36/2019
Von den Anfängen II
Das „erste Automobil der Welt“, gebaut von Carl Benz,
na, bezüglich dieses Zitats (im
vorigen Eintrag) wird noch
einiges zu sagen sein. Die betreffende Patentschrift trägt das
Datum 29. Januar 1886, handelt von einem „Fahrzeug mit
Gasmotorenbetrieb“ und meint vor allem die Kraftquelle, welche
Benz hauptsächlich für leichte Fuhrwerke und kleine Schiffe
empfahl. Die ausdrücklichen Patentansprüche machen in dieser
Schrift dann allerdings das dreirädrige Fahrzeug dingfest.
Puch Zweizylinder-Boxer aus dem Jahr 1898
Rund vierzehn Jahre später ließ Johann Puch seine erste
Voiturette testen. An Motoren hatte er davor schon gearbeitet.
Deshalb hier, im Kontext von Mythos Puch VI, dieser kleine
Vorgriff auf Grazer Ereignisse. Puch wurde vom Handwerker zum
Fahrradmechaniker. Von da zum Fahrradproduzenten und schließlich
zum Fabrikanten.
Hans Seper notierte, daß bei Puch ab
1901 Kleinmotoren produziert wurden, die in verstärkten
Fahrrädern zum Einsatz kamen. (Heute nennen wir das
Hilfsmotor.) Damit ist eigentlich auch schon die Geschichte der
Mopeds angelegt, die es freilich erst in den 1950er Jahren gab;
per gesetzlicher Definition. All das macht ferner klar, daß der
Automobilbau teils in der Kutschenwelt wurzelt, aber ganz
wesentlich in der Fahrradfabrikation und in den Erfahrungen, die
dabei gemacht wurden.
De Dion-Bouton-Motordreirad (Foto: AlfvanBeem, CC0 1.0)
Der erste dokumentierte Puch-Motor, den wir kennen, ist
(laut einem Bericht in der Allgemeinen Automobil Zeitung) ein
Zweizylinder Boxer aus dem Jahr 1898. Friedrich Ehn erwähnt
überdies ein Motordreirad von 1900, das unübersehbar ein Nachbau
der De Dion-Fahrzeuge war. (Von einem erhaltenen Exemplar aus
Graz ist bis heute nichts bekannt.)
Die markanten De-Dion-Bouton-Motordreiräder gab es ab 1897.
Diese Konstruktion erwies sich als extrem erfolgreich, wurde
rund um die Welt nachgebaut. Die österreichische Post hat dazu
1974 eine Sondermarke herausgebracht, allerdings ohne Hinweis
auf Puch oder auf die französische Quelle.
Ab 1903 wurden
von Puch einspurige Motorräder produziert. Die Type A
war in der ersten Version mit Trockenbatterie noch auffallend
problembehaftet. Ab 1904 lief dieses Motorrad mit Abreißzündung
und brachte es laut Hans Seper (samt der Type B) auf 750
Einheiten.
Seper nennt ferner für jene Ära den Motor-Experten
Vaclav Pritel als großen Gewinn für das Haus. Johann Puch hatte
ihn von Laurin & Klement abwerben können. Im Frühjahr 1900 war,
wie erwähnt, die erste Puch Voiturette am Grazer Schloßberg
erprobt worden.
Seper datiert den Beginn der Puch‘schen
Automobilproduktion erst mit 1906. Das entspricht jener
Voiturette, die heute bei Magna im Zweierwerk steht. Sie ist
laut Literatur mit einem V 2-Motor, real aber mit einem
Reihen-Zweier ausgestattet. (Dieser Wagen ist der Voiturette Typ
A von Laurin & Klement sehr ähnlich.)
Ich hab
inzwischen erste Fotos einer Puch Voiturette von 1904 gesehen,
die in diversen Büchern nicht vorkommt. So will ich bei anderer
Gelegenheit noch aufblättern, wie die Puch’schen Anfänge in
übrigen Publikationen dargestellt sind.
Puch Voiturette von 1900 in der Festschrift "75 Jahre
Steyr-Werke" von 1939
Jedenfalls zeigt sich daran einmal mehr, wie flüchtig
menschliche Wissen ist und wie lückenhaft Dokumentationen der
frühen Kraftfahrzeug-Ära sind. Technische Details, formale
Entwicklungen, also Gestaltungsfragen, aber auch modische
Aspekte und das Bedürfnis nach sozialen Statements, all das ist
in diesen Zusammenhängen relevant; als Teil einer komplexen
Kulturgeschichte.
+)
Mythos
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