Blatt #12 | KW 34/2019
Ford Model T, 1914 (Fahrzeug)
Keine andere Maschine hat die Welt während der ersten zwei
Drittel des 20. Jahrhunderts auch kulturell so stark geprägt.
Das Automobil wurde zum Generalfetisch jener Jahrzehnte, bis die
Digitale Revolution einen neuen, abstrakten Maschinentyp in
unser aller Leben gestanzt hat. Kein Auto dieser Zeit ist so
emblematisch wie die Blechliesl und ihre subkulturelle
Verwandtschaft, der T-bucket; ein Hot Rod-Typus.
Klassiker-Treffen im oststeirischen Ilz. Das ist immer wieder
eine große Session und stets ein paar sehr erfreuliche
Besonderheiten zwischen vielen Standard-Fahrzeugen, die
hauptsächlich der Youngtimer-Szene zugerechnet werden. Verstehen
Sie mich recht, ich mag das ganze Set, aber natürlich renne ich
immer um etwas, das in meiner Fotosammlung noch fehlt.
Dann plötzlich zwischendrin das fein polierte Messing. Der
schwarze Lack. Diese dünnen Räder. Die 1914er Tin Lizzie ist
sehr lange dicht von Neugierigen belagert, so daß kein Foto des
Fahrzeuges möglich wird, auf dem niemand den Blick verstellt.
Als wäre ein Menschenmagnet eingebaut.
Ich hab diese
Unruhe des Sammlers, der zum Zug kommen möchte. Ärgerlich! Als
wäre etwas Geduld so schwer aufzubringen. Doch ich verstehe den
Wirbel. Immerhin ist das ein besonderes Exponat, auch für Laien
attraktiv. Man muß kein Petrol Head sein, um diesen frühen Ford
Model T zu bestaunen.
Die konkrete Maschine. So gut wie
alle Komponenten offenbaren durch ihr Aussehen ihre Funktion. In
den 1920ern traten derlei Fords zunehmend robuster in ihrer
Erscheinung. Ein Hauptgrund: die Karosserien wuchsen nach oben
zu, um den Fahrgästen mehr Wetterschutz zu bieten. Vom Phaeton
zum Sedan, also zum geschlossenen Innenlenker. Und dabei alle
anderen populären Karosserievaranten. (Runabout, Roadster,
Speedster, Racer etc.)
Die Komponenten standardisieren, die Arbeiter besser bezahlen
als andere Bosse, die Stückzahlen rauf- und die Verkaufspreise
runterbringen, der Bevölkerung eine neue Technologie als
Alternative zum Pferdefuhrwerk anbieten… Eine sehr aufregende
Geschichte. Das Model T steht exemplarisch dafür.
Genau
dieses Modell führte in seinen weiteren Varianten von der ersten
in die zweite industrielle Revolution, denn das Model A kam erst
1928 auf den Markt. Die Tin Lizzie wurde daher zu einer Art
Leitfossil in einer bedeutenden Phase des radikalen 20.
Jahrhunderts.
Gerade die überschaubare Deutlichkeit
dieser alten Maschine in all ihren Details finde ich so
attraktiv, da wir gerade in einer Zeit leben, wo an den Autos
immer mehr Bereiche verkapselt sind, während sich das Verhältnis
zwischen Mechanik und Elektronik zugunsten der nicht greifbaren
Bereiche verschiebt.
Freilich wird man in unserer Welt der rundgelutschten Autos auch
bestaunen, daß an diesem Ford das Prinzip Form Follows Function
so anschaulich bleibt und in gediegenen Materialien glänzt.
Klar, das waren damals Bauweisen für Geschwindigkeiten, die
einen noch nicht über Cw-Werte und Fußgängersicherheit
nachdenken ließen.
Bei diesem Fahrzeug sind schon
Seitenwände mit durchgehender Gürtellinie vorhanden, aber an der
Spritzwand besteht zum Motorraum hin eine Stufe. Später setzte
sich die Torpedo-Karosserie durch, bei der diese Stufe
eingeebnet war. Es liefen insgesamt über 15 Millionen Einheiten
des Model T vom Band.
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