next code: reel / page #16 Das Thema macht sich breiter. Man könne inzwischen nicht mehr von
"Platz" sprechen, da und dort seien nur noch "ein paar schmale
Fußgängerdurchgänge" geblieben.
Journalistin Barbara Coudenhove-Kalergi
beklagt den Verlust an öffentlichem Raum. Mehr noch, auch öffentliche Gebäude würden
zunehmend irgend welchen kommerziellen Verwertungen unterzogen. (Quelle: "Der Standard") Ich vermute, wenn öffentlicher Raum in seinem klassischen Sinn
zunehmend aufgegeben wird, dann hat die "Polis", das Gemeinwesen, begonnen, sich
selbst im politischen Sinn abzuschaffen.
Da aber das, der öffentliche Raum, eine der Grundlagen von
Demokratie ist, hätte diese Entwicklung, wenn sie ungebremst bliebe, radikale politische
Konsequenzen. Das fällt gewiß nur ganz zufällig mit den zunehmenden öffentlichen
Debatten darüber zusammen, daß man an den ausdrücklich erklärten Menschenrechten
Abstriche vornehmen könnte.
Im Vorjahr war es, wenn ich mich recht erinnere, ein
hochrangiger deutscher Polizeibeamter, der plötzlich, um ein Verbrechen abzufangen,
Folter für diskutabel hielt und auf jeden Fall einige Zustimmung fand, daß man das
Folterverbot lockern dürfe. (Im Irak hat man die Praxis der wieder eingeführten Folter
durchexerziert.)
Die Staatsgewalt greift da und dort auf den öffentlichen
Raum und auf die privaten Leiber zu. Staatsgewalt wird an manchen Ecken privatisiert, mit
öffentlichen Räumen geschieht das auch. |
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Ich muß Zusammenhänge zwischen derlei
Phänomenen vermuten. Das Gewaltmonopol des Staates, das Volk als Souverän, der
öffentliche Raum als primärer Ort und Garant von politischer Anwesenheit, die sich als
physisch reale Anwesenheit zeigen können muß, in deren Zentrum reale soziale Begegnung
stattfindet ...
All das steht im urbanen Raum eminent unter dem Einfluß
von Städteplanung und Architektur. Das hat natürlich im ländlichen Raum seine
Entsprechungen, denn dort will die Demokratie ebenso zuhause und gesichert sein.
Ob ruraler oder urbaner Raum, da wie dort wird auf
merkwürdige Art ein Primat der Parkplätze behauptet, unterstellt. Stadtzentren müssen
sich mit Einkaufszentren vergleichen und an ihnen messen lassen. So als ob auch nur die
geringste Chance bestünde, daß ein Stadtzentrum (öffentlicher Raum) irgendwann ähnlich
funktionieren und Profit abwerfen könnte wie ein Einkaufszentrum (privater Raum).
Dabei wird, um es etwas polemisch verkürzt auszudrücken,
ignoriert, auf welche Art öffentlicher Raum zum Generieren von Demokratie nötig ist.
Hört man sich in der Sache einen exponierten Unternehmer an, klingt das zum Beispiel so
(Quelle: "Der Standard"):
Klingt das plausibel? Ist das stichhaltig?
Ich sammle zur Zeit Ansichten des dringenden wie
drängenden Bedürfnisses, sein Automobil möglichst nahe am Geschäftsportal seiner Wahl
zu parken. Dergleichen wäre freilich in keinem Einkaufszentrum möglich. Dort muß man zu
Fuß Wegstrecken hinnehmen, mit denen sich eine Kleinstadt locker durchqueren ließe.
Ist eine derartige Blockade von Gehsteigen eher Ausdruck
eines logistischen oder ideologischen Problems? Welche Not äußert sich in solchen
Aufstellungen?
Cut!
Goran Travanèiè ist der Sohn einer serbischen Mutter und
eines bosnisch-muslimischen Vaters. Das bedeutet, was seinen Hintergrund betrifft, da sind
kulturelle Prägungen aus der Orthodoxie und dem Islam. Beides Hintergründe, deren
Wahrnehmung bei uns sehr oft von Klischees und Ressentiments verstellt ist.
Ich habe ihn nach Orten der Nähe und nach Ritualen der
Gemeinschaft befragt. Der Begriff "Mahala" ist ihm geläufig. Er meint, der
Ostteil von Beograd sei eher "Mahala-Style", der Westteil dagegen westlich
geprägt. Die südserbische Stadt Niš ist seines Erachtens eine Stadt im
"Mahala-Style", also mit ausgeprägten Stadtvierteln.
In Bosnien sei das weniger üblich, sagt er, dort sei das
Zentrum des Ortes maßgeblich, wofür das Wort "Èaršija" verwendet wird. Und
wenn es bei seinen Leuten in Bosnien sehr gesellig wird, steht vor allem Kaffee im
Mittelpunkt. Davon erzähle ich später noch.
Wir hatten das übrigens draußen auf der
"Strecke" schon einmal thematisiert. (Siehe: "Langsamkeit: Kaffe trinken"!)
Türkischer Kaffee und Ratluk ... Dazu gehört auch die kleine Hintergrund-Notiz "Kaffetrinken in der
Region der Orthodoxie".
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