Log #679: Flame Logbuch

Da war nun ein Tag, um etlichen Fragen nachgehen zu können, deren Antworten in keinen Büchern stehen. Ich saß zuerst in der Laube von Altmeister Fredi Thaler. Danach ging es ins Einser-Werk, da Fritz Ehn sein aktuelles Puch-Buch präsentierte, das man als sein Vermächtnis betrachten darf. Dort traf ich auch Erich Mayer zu einem Gespräch. Von ihm stammt ein sehr aufschlußreiches Buch über das Zweier-Werk.

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Puch-Experte Robert Prokschi (links) und Altmeister Fredi Thaler

Dabei war dann auch mit Johann Krammer etwas zu vereinbaren, denn er hatte nicht nur als Leiter der Rennsportabteilung Harry Everts auf seinem Weg zum mehrfachen Motocross-Weltmeister begleitet, er war auch lange mit dem Puch Haflinger befaßt. Da werden wir also für mein Buchprojekt zu reden haben. Aber mit Mayer war ich auf ein spezielles Teilthema gekommen, für das ich kaum je Diskussionspartner finde: Wie das Automobildesign die Regierung über die technischen Bedingungen des Automobils übernahm.

Automobile sind auf unseren Straßen so umfassend präsent, daß ihr Design einen wesentlichen Teil der konkreten Gestaltung unseres Lebensraumes ausmacht. Außerdem verstehe ich das Automobil als einen Generalfetisch unserer Kultur. Es ist Projektionsfläche und Medium. Wir haben uns angewöhnt, einander über die Wahl eines bestimmten Modells etwas mitzuteilen. Das Auto wird auch heute noch vielfach von Menschen quasi wie ein Anzug übergestreift. Es ist Statement auf vielfache Art.

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Motorsportler Johann Krammer (links) und Puch-Experte Fritz Ehn

Ich mußte Jahrzehnte warten, bis nach und nach lesenswerte Literatur über Automobildesign auftauchte, das selbst im Kontext Industriedesign nur sehr spärlich behandelt wurde. Im Jahr 1982 erschien eine "Geschichte des Auto-Design" von Joachim Petsch, dann war für eine Ewigkeit und drei Tage Pause. Ich mußte mir nützliche Denkanstöße mühsam aus vielen Büchern zusammensuchen. Inzwischen hat sich meine Handbibliothek etwas besser füllen lassen.

Ich denke, Automobildesign ist für den industrialisierten Westen ein annähernd so relevantes Thema wie Architektur. Es ist ferner heute von einigem Gewicht im Bereich einer Volkskultur in der technischen Welt. Und schließlich gehört es in unseren aktuellen Themenkomplex "Volkskultur, Popkultur, Gegenwartskunst".

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Es hat gute Gründe, daß ich in unserem Projektverkauf ("The Long Distance Howl") über einige Jahre ein Quartett an Motiven herausgestellt habe, wo zwischen Kasimir Malewitsch und Andy Warhol auch Paul Jaray und Richard Buckminster Fuller hervorgehoben werden. (Siehe dazu meine Notiz "Woher kommt das Puch-Häusel?")

Es ist erstaunlich, wie viele Menschen in unserem Kulturbetrieb geneigt sind, sich darüber zu empören, daß ich diese Dinge in einem gemeinsamen Zusammenhang betrachten möchte. Vor allem, was nun die Volkskultur in der technischen Welt angeht, bestehen erhebliche Ressentiments. Ich treffe auch noch genug Menschen, die offenbar gerne die obsolet gewordene Trennlinie zwischen "Hochkultur" und trivialen Feldern restaurieren würden.

Das läuft, als gäbe es etwa die bestechende Kunsttheorie von Boris Groys nicht, welche uns Artefakte auf all diesen Gebieten in einer äußerst dynamischen Form der Bedeutungszuweisung zeigt. Groys legt dar, daß wir Werke valorisieren (aufwerten) oder trivialisieren (abwerten), was nie endgültig sei. Was aufgewertet wurde und so in die Archive der Kultur kam, kann auch wieder abgewertet werden und in der Welt des Trivialen landen. Davon wäre nicht einmal die Mona Lisa ausgenommen. Kanon ist eben etwas Bewegliches.

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Autoren im Gespräch: Erich Mayer (rechts)  mit Fritz Ehn

Ich werde also Gelegenheit finden, all das mit Mayer ausführlicher zu erörtern. Er war viele Jahre in leitender Position im Werk Graz-Thondorf tätig, kennt daher die Branche per Innenansicht. Mayer hat jenen Prozeß miterlebt, in dem die Designabteilung den Ingenieuren immer mehr zu sagen hatte. Was bildet sich folglich in all dem ab? Wie wurde unser 20. Jahrhundert davon geprägt. Wohin weisen diese Prozesse? Daraus ergibt sich für die nahe Zukunft etwa die Frage: Was ist nun eine gute Frage?

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coreresethome
26•18