Log #666: Ich bin eine Geschichte Richard Hubmann, Bauer aus Fünfing, hat mir nun
erzählt, was es mit einer Ausstellung auf sich hat, die 1986 erstmals in Pischelsdorf
gezeigt wurde. Das war auch die Gelegenheit, den ersten Band des zweiteiligen Werkes "Bäuerliches
Leben in der Oststeiermark seit 1848" von Karl Kaser und Karl Stocker zu
präsentieren. Siehe dazu den vorigen Eintrag!
Der Verein REIZ, dessen Statuten von 1981 sich noch in
meinem Archiv befinden, hatte damals einigen kulturelle Vorhaben begonnen. Dazu gehörte
1985 beispielsweise "Pischdorf zua!" (Oststeirisches Kulturfest).
In der Ausgabe 2/85 der Regionalzeitung REIZ
wurde neben diesem Fest auch ein Buch angekündigt: "Wo da Bartl an Most
hult" (Versuch einer Selbstdarstellung der Region Oststeiermark). Zum
Redaktionsteam dieses Buches gehörte unter anderem Erwin Eggenreich, heute Bürgermeister
der Bezirkshauptstadt Weiz.
Hubmann erzählt, daß in diesen
Zusammenhängen ein Projekt im Sinn der Oral History entstand und sich dafür
eine Arbeitsgruppe bildete. Dazu kam aber auch der Wunsch nach einer professionellen
Begleitung, wofür die Historiker Kaser und Stocker gewonnen werden konnten.
Deren Beitrag zum Projekt wurde im erwähnten
zweibändigen Werk zusammengefaßt, die Arbeit der Projektgruppe in einer
Wanderausstellung, welche in der Zeit nach Pischelsdorf von verschiedenen Gemeinden
nachgefragt wurde.
Hubmann sagt, es würden Teile dieser
Ausstellung noch existieren. Wir werden danach graben. Im Zeitraum zwischen November
1984 Dezember 1985 hatte der REIZ an einem "Bezirkskultur-Wegweiser"
gearbeitet, der publiziert wurde. Siehe: [link] Hier war also Mitte
der 1980er das entstanden, was man schließlich eine Szene der autonomen Kulturinitiatven
nannte.
Der REIZ ging später im SO-Verein
auf, von dem kulturelle Veranstaltungen und Publikationen realisiert wurden. So zum
Beispiel das 1990er "Fest
der Initiativen". Damals hab ich übrigens in unserer SO-Zeitung
die erste Publikation von Thomas Glavinic umgesetzt: "Vierzig Minuten".
In meinem Archiv befinden sich auch noch frühe Theaterstücke von Glavinic, die er
allerdings zur "Verschlußsache" erklärt hat.
Wir werden uns nun freilich nicht mit einer
Art Sentimental Journey aufhalten, um einen soziokulturellen Kameradschaftsbund
zu formieren. Diese Rückschau dient der Orientierung. Welche Klärungsschritte sind heute
notwendig, um in dieser höchst interessanten Modernsierungskrise voranzukommen? Wie
möchten wir mit dieser Vierten Industriellen Revolution umgehen, die längst
alle Lebensbereiche betrifft?
Karl Kaser und Karl Stocker haben mir
zugesagt, daß wir uns an einen gemeinsamen Tisch setzen werden, um diesen Stand der Dinge
zu erörtern. Dabei bleibt beides wichtig. Einerseits die Selbstermächtigung von
Menschen, indem sie es nicht bloß anderen, womöglich PR-Professionals überlassen, eine
Darstellung ihres Lebens und ihres Lebensraumes zu verarbeiten, sondern selbst sagen, was
es ist. Dabei andrerseits aber auch eine professionelle Begleitung, die mit anderen
Mitteln, anderen Werkzeugen vorgeht. Nach meiner Erfahrung entsteht daraus meist eine
interessante Kombination.
Karl Stocker (links) und Richard
Hubmann
Das bedeutet übrigens: Wo Kunst- und
Kulturschaffende sich bloß noch professionellen PR-Instititutionen für belebende
kulturelle Dekoration zur Verfügung stellen wollten, wäre völlig verschenkt, was in den
letzten 30 Jahren an Klarheiten über das Leben in der Region erarbeitet wurde.
Was inzwischen zusätzlich schwer wiegt, sind
die äußerst verfälschenden Redaktionssysteme der Social Media. Da regelt die
Software, welche Inhalte mir aus einer Community heraus auf den Tisch kommen. Da
kommunizieren nicht bloß Menschen, sondern auch Software-Bots.
Da hocken überdies in Asien
Content-Moderatoren, die unsere Kultur, unsere Codes und unsere Geschichte nicht kennen,
um unter enormem Arbeitsdruck Bild- und Videobeiträge durchzusehen und zu löschen, was ihnen
problematisch erscheint.
Wir haben also einige gute Gründe, uns in
dieser aktuellen Mediensituation auf unsere Erfahrungen mit konventionellen
Kommunikationsweisen zu besinnen und die Definitionshoheit nicht einfach an PR-Profis
und/oder Software abzugeben.
-- [Ich bin eine Geschichte] --
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