log #658: Wegmarken Intro
Flur- und Kleindenkmäler umgeben uns als ein kontrastreiches Informationssystem,
dessen auffälligster und populärster Bestand Wegkreuze und Bildstöcke sind. Bei
genauerem Hinsehen zeigt dieses Genre freilich ein viel umfassenderes
"Vokabular" und Inventar. Außerdem gehen die Markierungen in einer christlichen
Zeichensprache vielfach über eine Vermittlung religiöser Inhalte hinaus, berühren
lokalgeschichtliche Ereignisse.
Wir sind bei Kultur.at nun schon
geraume Zeit mit ersten Betrachtungen dieser Zeichensysteme befaßt. Das beruht einerseits
auf einer alten Themenstellung, mit der wir nie zu einem Ende kamen: "Wer
bespielt die Außenhaut der Innenstadt mit welchen Inhalten?"
Das beruht andrerseits auf der Kooperation mit
dem Kulturbüro Stainz, wobei Ursula Glaeser vor Jahren das Augenmerk auf
klassische Anteile dieser Systeme lenkte. Da zeigt sich, daß sich die kulturellen und
spirituellen Bedürfnisse von Menschen auf sehr vielfältige Art in diesem Zeichensystem
abbilden, was natürlich auch bis zu profanen und überaus trivialen Formen reicht.
Unser Lebensraum ist mit komplexen
Zeichensystemen besetzt. Die Landschaft ist teilweise gebaut, teilweise bebaut,
so oder so in weiten Bereichen eine Kulturlandschaft, also menschlichem Zugriff
unterworfen. Vor allem im städtischen Raum herrscht die Tendenz, unsere Gegenwart in
einem Schilderwald auszudrücken, der überdeckt, überwuchert, was sich sonst noch finden
läßt.
In dieser Mischung aus öffentlichem
Orientierungssystem und privatwirtschaftlicher Marktschreierei übersieht man eventuell,
was außerhalb der Ortschaften leichter zu erkennen ist. Da findet sich ein überraschend
dicht gesetztes Netz von solchen Zeichen am Wegesrand. Alle Arten von Kreuzen,
Bildstöcken und Kapellen, aber auch profane und triviale Zeichensysteme.
Einige Gespräche mit Ewald Ulrich von "Fokus
Freiberg" haben uns außerdem darauf hingewiesen, daß wir von derlei
Zeichensystemen in der Landschaft mindestens seit der Steinzeit umgeben sind, daß sie
also seit Jahrtausenden gepflegt werden.
Überdies führen allerhand profane Varianten
in die Gegenwart: Kriegerdenkmäler, Kegelbahnen, Schießstände, Zierbrunnen,
Sonnenuhren, die Vielfalt der Inhalte von Hausnischen und Hausecken, diverse Haus- und
Zunftzeichen, Giebelzier, Dachreiter... Auch der Bereich "Kunst im öffentlichen
Raum" wäre hier einzubeziehen.
Um unsere Beobachtungen und Funde ein wenig
ordnen zu können, erwies sich der einschlägige Leitfaden eines umfangreichen
LEADER-Projektes als sehr hilfreich. Die "ARGE Klein- und Flurdenkmäler"
stellt dieses aufschlußreiche Werk online zur Verfügung: "Der vorliegende
'Leitfaden zur Klein- und Flurdenkmaldatenbank“ stellt die Systematik der
Kleindenkmäler dar und bildet die Basis für deren Einteilung und Dokumentation."
-- [Leitfaden „Zeichen unserer Kulturlandschaft"] --
Es gab zu all dem 2017 eine
Literaturrecherche, die das Kulturbüro Stainz für Kultur.at
übernommen hatte, damit wir ein Theorie-Fundament einrichten konnten, auf das sich
weitere Arbeitsschritte beziehen mochten. In der zweiten Session unserer Konferenz in
Permanenz ist dieses Thema nun wieder ausführlicher zur Sprache gekommen.
Das greift frühere Debatten auf, an denen vor
allem folgender Aspekt sehr interessant erschien. Wir haben uns seit der Digitalen
Revolution eine völlig neue Infosphäre geschaffen, eine informationelle Umwelt, in
die wir verwoben sind und deren Phänomene uns stellenweise zu schaffen machen. Damit
befinden wir uns derzeit mitten in der Vierten Industriellen Revolution, wovon
alle Lebensbereiche betroffen sind.
Dem gegenüber ist das umfangreiche Netzwerk
der Klein- und Flurdenkmäler in seinem historischen Anteil ein Art vorindustrielle
Info-Sphäre, ebenfalls ein Kommunikations- und Orientierungssystem, freilich von
grundlegend anderer Art. Das möchten wir uns in einem konzentrierten Schritt näher
anschauen. Darin habe ich vorerst schon einmal Konsens mit den Bürgermeistern Peter
Moser, Werner Höfler und Robert Schmierdorfer. Zur Konferenz in Permanenz siehe:
[link]
Dazu kam, daß ich für das heurige
Kunstsymposion ein gemeinsames Vorhaben mit Photograph Richard Mayr in Arbeit habe: "Interferenzen".
Naheliegend, ihn darauf anzusprechen, ob er sich für das hier skizzierte Thema erwärmen
könne. Das war schnell geklärt und ich darf davon ausgehen, daß wir auf ihn zählen
können, falls es zu einer themenbezogenen Teambildung kommt.
Dieses Ausmaß an Absichtserklärungen
rechtfertigt nun für mich schon eine erste Konsolidierungsphase. Da ist kontrastreiches
Interesse gebündelt. Es gibt einige Vorleistungen in unserem Bereich. Es gibt dieses sehr
anregende LEADER-Projekt, das ich oben schon erwähnt hab: "Tauchen Sie ein in
die Welt der Klein- und Flurdenkmäler von 75 Gemeinden in 5 LEADER-Regionen!" [Quelle]
Also habe ich nun im Rahmen von "Dorf
4.0" eine erste Projekt-Website eingerichtet, über die nach außen kommuniziert
wird, wohin sich dieses Vorhaben verdichtet, entwickelt:
-- [Wegmarken] --
Ich habe eingangs die kulturellen und
spirituellen Bedürfnisse von Menschen erwähnt, die nur bei flüchtiger Betrachtung als
eine Art "Orchideenfach" gedeutet werden können. Aktuelle Forschungsergebnisse
belegen, daß einige Höhlenmalereien weit über 60.000 Jahre alt sind. Das bedeutet,
über so langen Zeitraum befand die Evolution, das symbolische Denken und die kulturellen
Codes seien von Vorteil für die Spezies. Ansonsten wäre das eine völlig ausreichende
Zeitspanne gewesen, solche Eigenschaften wieder verschwinden zu lassen, was die Evolution
mit allem macht, das sich bei einer Art nicht mehr bewährt.
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